Statement zum Jahreswechsel von HWK-Präsident Dr. Georg Haber
„Wir müssen der Wandel sein, den wir in der Welt zu sehen wünschen.“ Angesichts eines für das Handwerk erneut schwierigen Jahres hat dieses Zitat von Mahatma Gandhi eine besondere Relevanz. Ständig war heuer von Wandel oder Wende die Rede: Gesundheitswende, Klimawende, Energiewende, Verkehrswende, Bildungswende. Das ostbayerische Handwerk hat sich allen Herausforderungen gestellt.
Unsere Handwerkerinnen und Handwerker haben tatkräftig dabei mitgeholfen, den notwendigen Wandel zu befördern und hochtrabende Pläne in die Praxis umzusetzen. Oft haben diese Pläne nur in der Theorie gut geklungen und im Praxistest dann kläglich versagt. Oft haben wir uns im vergangenen Jahr von der Politik im Stich gelassen oder schlicht übersehen gefühlt.
Die überbordende Bürokratie lähmt unsere Wirtschaft. Praxisferne Regularien, wahnwitzige Dokumentationspflichten und unkalkulierbare Haftungsrisiken, die von einem kleinen oder mittleren Handwerksbetrieb kaum noch erfüllt werden können, lassen die Selbstständigkeit für unsere jungen Meisterinnen und Meister kaum noch attraktiv erscheinen. Die bürokratischen Hürden türmen sich wie eine Wand vor den Handwerksunternehmern auf und bremsen Ideenreichtum, Motivation und Euphorie – ja sogar den Spaß am erlernten Beruf – inzwischen gnadenlos aus. Ich nehme in diesem Zusammenhang auch unsere Verwaltung in die Pflicht. Hier braucht es einen Mentalitätswandel: Mehr Entschlussfreude auf allen Ebenen und das Motto „Ermöglichen statt Verhindern“ sollten in Zukunft in unseren Amtsstuben vorherrschen – und auch von den jeweiligen Vorgesetzten unterstützt werden. Ich weiß, dass sich ein derartiger Mentalitätswechsel nicht über Nacht verordnen lässt. Umso wichtiger ist es, dass wir an diesem Thema weiter dranbleiben und die Verwaltung ihre Ermessensspielräume mittelstandsfreundlich umsetzt.
Denn eins ist klar: Ohne Bürokratisierungswende werden alle anderen Wenden nicht gelingen! Ohne mittelstandsfreundliche Rahmenbedingungen wie bezahlbarer Strom, wettbewerbsfähige Steuern und nachhaltige Fachkräftesicherung wird Transformation nur eine leere Worthülse bleiben, wird der Wirtschaftsstandort Deutschland mehr und mehr abgehängt. Und zwar nicht nur wirtschaftlich, sondern auch im Hinblick auf die Zukunftschancen der nachfolgenden Generation. Denn für die wird der Spielraum angesichts steigender Sozialabgaben bei gleichzeitig sinkender Wirtschaftsleistung für die Umsetzung eigener Pläne immer geringer. Das ist nicht gerecht. Schließlich sind es unsere exzellent ausgebildeten jungen Handwerkerinnen und Handwerker, die den Wandel umsetzen und vorantreiben müssen.
Die aktuell erzielte Einigung zum Bundeshaushalt 2024 wird Abgabenerhöhungen sowie steigende Sprit- und Strompreise nach sich ziehen. Die Rahmenbedingungen bleiben für unsere Betriebe also schwierig. Wieder einmal. Planungssicherheit sieht anders aus. Verlässliches Regierungshandeln auch. Dabei wäre gerade jetzt ein investitionsfreundliches Umfeld nötiger denn je.
Gerade das ostbayerische Handwerk ist von der deutlichen Konjunktureintrübung besonders betroffen. Von unseren rund 41.000 Betrieben im Kammergebiet stammen rund 19.400 aus dem Bauhaupt- oder Bauausbaugewerbe. Das sind rund 47 Prozent unserer Betriebe. Diese Branchen kämpfen gegenwärtig mit mannigfachen Schwierigkeiten: die aktuelle Zinsentwicklung und die daraus resultierende sinkende Investitionsbereitschaft, der Fachkräftemangel sowie hohe Energie- und Rohstoffpreise lassen die noch vorhandenen Auftragspolster spürbar abschmelzen. Dazu kommen die bereits angesprochenen bürokratischen Hemmnisse. Das Handwerk blickt sorgenvoll in die Zukunft.
Unser wertvollster Rohstoff sind unsere gut ausgebildeten Fachkräfte. Das duale Ausbildungssystem hat sich bewährt. Unsere Handwerkerinnen und Handwerker sind hervorragend qualifiziert, unsere Meisterinnen und Meister auf die Selbstständigkeit bestens vorbereitet. Das ostbayerische Handwerk will und kann den Wandel. Es darf doch nicht sein, dass wir mit diesem Pfund nicht wuchern, sondern diesen Rohstoff stattdessen unter einer Flut an Vorschriften und lähmend langen Verwaltungswegen begraben! Es kann und darf nicht sein, dass in unserem Land nur noch der Stillstand verwaltet und der längst notwendige Wandel ausgebremst wird. Denn: Stillstand ist Rückschritt!“