Straubing

Ötzis Erbe (k)lebt in Straubing weiter

(ra) Die Anwendung „Nachwachsender Rohstoffe“ war bis zur Industrialisierung vor rund 150 Jahren allgegenwärtig. Kleidung, Medikamente, Farben, Klebstoffe und vieles mehr wurden ausschließlich aus pflanzlichen und tierischen Produkten hergestellt. Der junge Wissenschaftler und Absolvent des Masterstudiengangs „Nachwachsende Rohstoffe“ Johann Lang geht im Rahmen seiner Doktorarbeit am Wissenschaftszentrum Straubing weit zurück in die Vergangenheit:

Er erforscht, ob es möglich ist, moderne Klebstoffe auf Basis von Birkenpech herzustellen. Seine Forschung wird mit einem renommierten Promotionsstipendium der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Bereits unsere Vorfahren nutzen Birkenpech zum Beispiel als Klebstoff und Leim. -Foto: Turner, WZS
Bereits unsere Vorfahren nutzen Birkenpech zum Beispiel als Klebstoff und Leim. – Foto: Turner, WZS

In der Forstwirtschaft fallen beim Ernten der Bäume und der Herstellung von holzbasierten Produkten viele Rest- und Abfallstoffe wie etwa die Baumrinde an. In Skandinavien wird Birkenholz in der Furnierholz- und Papierindustrie verwendet. Die hier anfallenden, großen Mengen an Birkenrinde werden ausschließlich verbrannt. Was heute ein Abfallprodukt ist, war früher zu Ötzis Zeiten vor über 5.300 Jahren ein begehrter Rohstoff für zahlreiche Anwendungen. „Birkenpech war Kaugummi, Klebstoff für Pfeilspitzen und Äxte sowie Dichtmittel für Einbäume und Dächer in einem“, erklärt Mario Pfreundner, Heilpraktiker aus Wörth a. d. Donau und Kenner der experimentellen Archäologe. „Das Birkenpech ist vermutlich der älteste Klebstoff der Menschheitsgeschichte!“

Bei einem Treffen von Pfreundner mit Professor Dr. Cordt Zollfrank, Inhaber der Professur für Biogene Polymere am Wissenschaftszentrum Straubing, beide kennen sich seit der Grundschule, keimte die Idee, sich wissenschaftlich mit dem Thema „Birkenpech“ zu beschäftigen. Daraus entstand dann das Promotionsthema von Johann Lang. Unter der Bezeichnung „Archäoinspirierte Materialsynthese – Renaissance eines antiken Klebstoffs auf Basis von Birkenpech“ erforscht Lang den Übergang von einem Abfallstoff in einen neuen Rohstoff für marktreife, biobasierte Schmelzklebstoffe mit maßgeschneiderten Klebeeigenschaften. Die Forschungsaktivitäten widmen sich der Herstellung, der materialwissenschaftlichen Untersuchung und der gezielten Beimischung von Additiven von Birkenpech aus Birkenrinde.

„Nach Sichtung der wissenschaftlichen Literatur haben wir herausgefunden, dass Birkenpech bislang hauptsächlich nur aus archäologischer Sicht beschrieben wurde – mit Fokus auf die urgeschichtlichen Herstellungsverfahren und Inhaltsstoffe“, so Lang. „Wissenschaftliche Untersuchungen zu Materialkennwerten wie mechanische Festigkeit, Fließverhalten und Klebstoffverhalten konnten wir nicht ermitteln. Das Forschungsvorhaben wird daher diese Lücke über grundlegende Untersuchungen an Birkenpech mit der erstmaligen Beschreibung von relevanten mechanischen und chemisch-physikalischen Eigenschaften schließen.“ Darüber hinaus wird Lang durch die Untersuchungen das Anwendungsspektrum der biogenen Klebstoffe um die Eigenschaften des Birkenpechs erweitern.

Prof. Dr. Cordt Zollfrank, Mario Pfreundner und Johann Lang (v.l.) sind begeistert von den heutigen Anwendungsmöglichkeiten von Birkenpech. - Foto: Turner, WZS
Prof. Dr. Cordt Zollfrank, Mario Pfreundner und Johann Lang (v.l.) sind begeistert von den heutigen Anwendungsmöglichkeiten von Birkenpech. – Foto: Turner, WZS

In Anbetracht des fossilen Ursprungs der am Markt etablierten Klebstoff-Erzeugnisse besteht erhebliches Interesse seitens der Industrie und Politik an umwelt- und ressourcenschonenden Alternativen auf Basis nachwachsender Rohstoffe.

Am Wissenschaftszentrum Straubing betreiben Wissenschaftler grundlagenorientierte Forschung und technologische Entwicklungen zu Nachwachsenden Rohstoffen. Forschungsschwerpunkte sind dabei die chemisch-stoffliche Nutzung und die energetische Verwertung, sowie ökonomische Aspekte rund um die Erzeugung, Vermarktung und Verwendung von Nachwachsenden Rohstoffen. Weitere Forschungsschwerpunkte sind Regenerative Energiesysteme, die Verwertung von Reststoffen, die Tiefen- und oberflächennahe Geothermie sowie Solarenergie. Die akademische Ausbildung am Wissenschaftszentrum Straubing erfolgt im Rahmen von Masterarbeiten und Promotionen sowie im Masterstudiengang „Nachwachsende Rohstoffe“ und im Bachelorstudiengang „Nachwachsende Rohstoffe“.

Das Studium der „Nachwachsenden Rohstoffe“ am Wissenschaftszentrum Straubing ist ein gemeinsamer Studiengang der Technischen Universität München und der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Die Studierenden lernen, dass es Alternativen für fossile Rohstoffe und Energieträger gibt, mit denen das  Klima und die Umwelt geschont werden können. Wer sich für die Studiengänge am Wissenschaftszentrum Straubing  interessiert, kann sich ausführlich unter der Telefonnummer 0 94 21/ 18 71 66, per Email studienberatung@wz-straubing.de und www.wz-straubing.de informieren.