Schädel-Hirn-Trauma nach Schlägerei im Morgengrauen
(pw) Es muss für Lukas R. eine frustrierende Situation sein: Zweimal tritt er vor Gericht als Nebenkläger auf, weil er nach einem Lokalbesuch in der Straubinger Innenstadt im September vorletzten Jahres im Rahmen einer Schlägerei auf der Straße zusammengeschlagen worden war, grundlos, von drei Männern, wie er sich erinnert. Schließlich sei er sogar am Boden liegend gestiefelt worden.
Seine Verletzungen, dokumentiert in einem Entlassbericht des Klinikums St. Elisabeth, zeugen davon: Ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Nasenprellung. Der heute 30-jährige Straubinger konnte deshalb zwei Wochen nicht zur Arbeit gehen.
Doch bei der ersten Verhandlung gegen zwei der mutmaßlichen Täter werden die beiden Männer freigesprochen, nach dem Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“. Auch bei der zweiten Auflage gegen den Dritten im Bunde am Montag ist die Beweislage lange nicht eindeutig, es deutet sich ein erneuter Freispruch an. Am Ende lautet das Urteil: Ein Jahr und drei Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung für den 36-jährigen Robert L. (Name geändert). Er ist kein unbeschriebenes Blatt. Derzeit sitzt er wegen einer anderen Tat in Haft, wird deshalb in Fußfesseln vorgeführt. Der Grund wird bei der Verlesung seines Strafregisters klar: Robert L. hat bereits einen Mord begangen, wurde deshalb seinerzeit zu einer neunjährigen Jugendstrafe verurteilt. Zur ersten Verhandlung im August letzten Jahres war er nicht vor Gericht erschienen.
Bei der Rekonstruktion des Falles vom September 2021 wird jedoch erneut klar, dass die Sache juristisch nicht so einfach ist, wie es aus Sicht des Betroffenen schien.
Manche Zeugen berichteten sogar, Lukas R. sei selbst aggressiv und betrunken gewesen. Keiner kann sich mehr genau an das Aussehen der Männer erinnern, einer soll eine Glatze gehabt haben. Der 30-jährige Nebenkläger gibt zu, damals stark alkoholisiert gewesen zu sein, was naheliegend sei, nach einer fast durchgefeierten Nacht. Der Vorfall hatte sich im Morgengrauen ereignet, als Lukas R. das Lokal verlassen wollte. Bei Hinausgehen sei er von einer Gruppe anderer Gäste erst provoziert, dann ins Gesicht geschlagen worden. Er sei aufgestanden und noch einmal umgekehrt, um die Situation zu klären.
„Wir wollten ihn zurückhalten, aber er hat nicht auf uns gehört“, sagt ein Bekannter von Lukas R. als Zeuge. Vermutlich wäre es klug gewesen, den Rat der Freunde zu befolgen, denn zu diesem Zeitpunkt kam die Schlägerei erst richtig in Gang. Lukas R. behauptet, er sei dann zu Boden geschlagen und mit den Füßen traktiert worden. Seine Verletzungen würden dazu passen, konstatiert der Vorsitzende Richter Georg Kimmerl später in seiner Urteilsbegründung.
Das Problem: Keiner der Zeugen kann zweifelsfrei bestätigen, dass der Angeklagte Robert L. die Tritte ausgeführt hat. Deshalb bleiben für eine Verurteilung nur die Schläge. Das Gericht sieht es aber als erwiesen an, dass der Angeklagte Lukas R. zumindest noch einmal mit der Faust geschlagen hat, als er bereits wehrlos am Boden lag. Robert L. wird wegen der Beweislage nicht mehr wegen gefährlicher, sondern „nur“ noch wegen einfacher Körperverletzung verurteilt. Unter anderem der Wirt des Lokals hatte Robert L. wieder erkannt und die Schläge beobachtet.
Negativ wirkt sich für den 36-Jährigen neben seinen erheblichen Vorstrafen aus, dass er die Tat unter offener Bewährung begangen hatte. Der Vorsitzende Richter betonte auch: „Selbst, wenn Sie vom Geschädigten provoziert wurden – das spielt für die Verurteilung keine Rolle. Auf keinen Fall waren Sie in einer Notwehrsituation.“