Deprecated: preg_replace(): Passing null to parameter #3 ($subject) of type array|string is deprecated in /www/htdocs/w01ed49b/regio-aktuell24.de/html/wp-includes/kses.php on line 1745
>
1. Mai 2024
Aus dem Gerichtssaal

Zwölfjährige küsst Busfahrer auf den Mund – 70-Jähriger lässt dies zu und erhält 14 Monate auf Bewährung

(jh) Ein ehemaliger 70-jähriger Busfahrer aus dem Landkreis Straubing musste sich am Mittwoch vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Straubing dafür verantworten, weil er von einer zwölfjährigen Schülerin kurz auf den Mund geküsst wurde. „Das hätten Sie nicht zulassen dürfen“, mahnte ihn der Vorsitzende Richter Achim Kinsky. Die damals Zwölfjährige ist geistig behindert und hat den Busfahrer vorher öfters gedrückt, weil er ihr geholfen hatte. Das Gericht verurteilte ihn dafür zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt wurde.

Der 70-jährige Mann musste sich am Mittwoch wegen des Vorwurfs eines sexuellen Missbrauchs von Kindern und der sexuellen Nötigung von Kindern verantworten. Dazu saß er vor dem Schöffengericht auf der Anklagebank. Der zweite Anklagepunkt wurde im Laufe des Prozesses zurückgezogen. Josef Z. – so nennen wir den Angeklagten – soll laut Anklageschrift im vergangenen Jahr kurz vor den Osterferien ein zwölfjähriges Mädchen – wir nennen sie Mathilde – geküsst haben.

Josef Z. hatte sich bereit erklärt, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen. Und er berichtete ausführlich. Seitdem er in Rente ist, fuhr er mit einem Kleinbus eines Straubinger Busunternehmens Kinder mit körperlicher oder geistiger Einschränkung zu entsprechenden Einrichtungen. Im Herbst 2022 hatte er eine neue Tour bekommen. Er sei nur der Fahrer gewesen. Für seine Fahrgäste, also die Schülerinnen und Schüler, begleitete ihn eine weitere Person. Nach einiger Zeit sei Mathilde am Bein operiert worden und sei auf den Rollstuhl angewiesen gewesen. Er wollte einfach nur behilflich sein und hatte sich deshalb um die Verladung des Rollstuhls in seinem Bus gekümmert. Dafür bedankte sich das Mädchen mit einer Umarmung und einem Kuss auf die Wange. Z. erinnerte sich: „Das erfolgte zwei oder drei Mal.“ Ich tolerierte das einfach, weil das Mädchen sensibel ist und ich wollte sie nicht wegstoßen.

Werbung

Der Angeklagte berichtete davon, dass es normalerweise eine feste Sitzordnung im Bus gegeben habe. Aber Mathilde wollte einmal auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Nachdem sie aber mit dem Angurten aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen nicht zurechtkam, war ihr Josef Z. behilflich und klickte den Gurt ein. Just in diesem Moment gab ihm das Mädchen einen Kuss auf seine Lippen. „Es war nur für einen kurzen Moment und ich war total überrascht“, erinnert sich Z. Angesprochen von der Busbegleiterin, „was das soll“, erklärte Josef Z. „das muss sie auch einmal lernen“ – gemeint hatte er „das Angurten“ und nicht „den Kuss“.

Doch genau diesen Moment will die Busbegleiterin Franziska B. gesehen haben – im Rückspiegel. Die 46-Jährige, die am Mittwoch als Belastungszeugin aussagte, wollte gesehen haben, dass „die Schmuserei“ sogar „ein oder zwei Minuten“ angedauert habe. Wie lange so eine Zeitspanne dauert, das versuchte der Vorsitzende Richter der Zeugin klarzumachen. Sie wollte sich dann auf eine Minute beschränken. Und das habe sie vom Heckteil des Buses aus über den Innenspiegel des Fahrzeugs gesehen, bestätigte sie gegenüber dem Gericht, wobei sie aber während der Verhandlung nicht mehr genau den Zeitpunkt des Vorfalls nennen konnte. 

Werbung

Warum die Busbegleiterin erst drei Monate nach dem Vorfall des Kusses bei der Polizei eine Aussage machte, wurde bei der Verhandlung nicht ganz klar. Für den Angeklagten und seinem Verteidiger spielen ein paar Dinge eine Rolle. „Zu Beginn der Route im September hatte ich eine andere Busbegleiterin“, erinnert sich Josef Z. Diese wurde aber zum Jahresbeginn durch Franziska B. ausgetauscht. „Die bisherige Begleiterin hatte mich schon vor der Neuen gewarnt“, sagte Z. dem Gericht. „Sie habe unbedingt mit mir mitfahren wollen. Sie stehe auf mich.“ Als sie ihn dann zum Fahrtbeginn mit „Guten Morgen mein Liebling, guten Morgen mein Schatz“ begrüßte, habe er ihr gleich gesagt, wie alt er als sei, um ihr zu signalisieren, dass er nicht zu haben sei. Die Zeugin sagte stattdessen aus, dass er ihr Avancen gemacht hätte.

Franziska B. kannte Mathilde, denn sie war mit ihrer verstorbenen Tochter ebenfalls in einer Straubinger Einrichtung zur Schule gegangen. Enttäuscht sagte die Zeugin: „Mathilde (Name geändert!)  war am Anfang immer zu mir hergegangen. Das wurde immer weniger. Sie ist komisch geworden. Und dann sagte sie mit Blick auf den Busfahrer: ‚Das ist mein Freund'“. Bei  der Befragung der Zeugin kam dann am Rande auch heraus, dass sie selbst einen 15-jährigen Schüler, der ebenfalls im Bus befördert wurde, auf den Mund geküsst haben soll. „Das war nur eine Sekunde und kein Schmatzer, sondern nur auf die Wange“, rechtfertigte sich die Busbegleiterin.

Werbung

Dass der Umgang zwischen Busfahrer, Begleiter und den Fahrgästen nicht mit regulären Passagieren zu vergleichen ist, schien bei der Verhandlung deutlich zu werden. Der Umgang miteinander bewegt sich auf einer etwas anderen Ebene. Distanz einzuhalten ist nicht immer möglich. Ein vertrauliches Wort, eine vertrauliche Unterhaltung, tröstende Worte, auch einmal jemanden in den Arm zu nehmen und zu drücken ist für viele dieser Fahrgäste persönlich wichtig.

Mathilde selbst wurde vor Gericht nicht gehört. Auch ein medizinisches Gutachten ist ihr erspart geblieben. Es war auch nicht sicher, welchen Einfluss es auf die Urteilsfindung gebracht hätte. Stattdessen rief das Gericht aber ihre Mutter in den Zeugenstand. Sie sagte aus: „Die Fahrt mit dem Busfahrer (Josef Z.) habe bei ihrer Tochter keine Veränderung hervorgerufen. Aufgrund ihrer Erkrankung umarmt sie Bekannte immer wieder.“

Werbung

Sowohl für die Staatsanwältin, als auch für den Vorsitzenden Richter war das Verhalten des Busfahrers gegenüber „geistig Behinderten distanzlos“ gewesen. Die Staatsanwältin forderte eine Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, da sich für Mathilde die Zeit mit Josef Z. keine negativen Auswirkungen ergeben habe. Z.’s Verteidiger Clemens Schnabl versuchte, den Wahrheitsgehalt der Belastungszeuge nicht zu sehr in den Mittelpunkt zu stellen. Er meinte aber, „Wahrgenommene Teilbruchstücke könnten aber von der Zeugin zu einem Gesamtbild zusammengezimmert worden sein.“ Er forderte für seinen Mandanten einen Freispruch nach „in dubio pro reo“ (im Zweifelsfall für den Angeklagten“.

Weil der Angeklagte frei über seinen Fahrauftrag und die Ereignisse berichtete, wertete dies der Vorsitzende Richter Achim Kinsky als „Einräumen des Tatvorwurfs“. Josef Z. habe nach Ansicht des Schöffengerichts „zu keinem Zeitpunkt ein Stopp-Schild aufgestellt“. Wörtlich sagte Kinsky: „Ich würde es auch nicht akzeptieren, wenn eine fremde Person mich auf die Wange küsst“.  Josef Z. wurde deshalb auch für schuldig befunden, ein Kind sexuell missbraucht zu haben. Dafür wurde er zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Dieses Strafmaß wurde gegen Auflagen zur Bewährung ausgesetzt. Unter anderem muss er an eine gemeinnützige Einrichtung einen Geldbetrag von 800 Euro zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.