Aus dem Gerichtssaal

Nach fast einem Jahr: 24-Jähriger wegen sexueller Belästigung  beim Volksfest verurteilt

(pw) Hakim S. (Name geändert) sei immer respektvoll mit Frauen umgegangen, sagt seine Ersatzmutter als Zeugin. Sie könne sich überhaupt nicht vorstellen, dass er „so etwas“ mache. Der 24-jährige aus Syrien stammende Mann saß am Freitag auf der Anklagebank des Straubinger Amtsgerichts, weil ihm sexuelle Belästigung und Körperverletzung vorgeworfen wurde.

Er soll laut Anklage beim letztjährigen Gäubodenvolksfest in Straubing einer Frau ans Gesäß gegriffen und Security-Mitarbeiter verletzt haben. Er hatte deshalb einen Strafbefehl erhalten und dagegen Widerspruch eingelegt. Am Ende geht Hakim S. allerdings mit einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro aus dem Gerichtssaal – wesentlich mehr, als wenn er den Strafbefehl akzeptiert hätte, was nicht zuletzt an seinem Verhalten bei der Verhandlung liegt.

Er bestreitet nicht nur fast alle Vorwürfe, obwohl ihn alle Zeugen belasten – was sein gutes Recht wäre – sondern ist überzeugt, dass das Urteil schon von Anfang an feststand. „Ich habe das Gefühl, dass man schon ein Bild von mir hatte, als ich den Saal betreten habe“, sagt der 24-Jährige in seinem ausführlichen letzten Wort. „Man dachte, dass ich ein schlechter Mensch bin, nur weil ich Ausländer bin“, beklagt sich Hakim S.. Er richtet seine Vorwürfe auch direkt an Richterin Nelli Schreiber: „Sie schauen mich immer so scharf an.“ Darauf entgegnet sie ruhig: „Ich schaue jeden scharf an. Ich bin Richterin.“ Den Vorwurf, er werde aufgrund seiner Herkunft vorverurteilt, weist sie entschieden zurück: „In diesem Raum dulde ich keinerlei diskriminierende Äußerungen die Herkunft betreffend“, sagt sie. Hakim S. zeige nicht nur keine Reue und Schuldeinsicht, sondern habe eine „Opfermentalität“.

Alles nahm seinen Anfang am ersten Tag des Gäubodenvolksfestes im vergangenen Jahr zu späterer Stunde. Hakim S. war dort zusammen mit seiner Fußballmannschaft. Er stand beim Getränkestand eines Festzeltes in der Schlange, um sich noch ein Getränk zu holen. Dort soll es passiert sein: Seine Hand landete auf dem Po der vor ihm wartenden Frau, so jedenfalls die Anklage. Die 30-jährige Sabrina P. (Name geändert) bestätigt dies als Zeugin. Sie habe sich zu ihm umgedreht und gesagt, er solle das sein lassen. Darauf habe der Mann entgegnet: „Bei deiner Kleidung und deinem Ausschnitt brauchst du dich nicht wundern.“

Sie habe ihm für diese Bemerkung spontan eine „Watschn“ gegeben, sagt Sabrina P. unumwunden. Dass sie sich auch selbst belastet, wertet das Gericht später als Zeichen ihrer Glaubwürdigkeit. Daraufhin sei alles ganz schnell gegangen: Durch einen Schlag von Hakim S. mit der flachen Hand sei sie umgefallen und jemand habe die Security gerufen.

Die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes sprachen ein Hausverbot aus, das jedoch Hakim S. offenbar nicht akzeptieren wollte. Vier Security-Leute waren nötig, so die übereinstimmenden Aussagen, um den 24-Jährigen aus dem Zelt zu tragen, so heftig habe er sich gewehrt. Zweifelsfrei dokumentiert ist, dass mindestens drei Mitarbeiter Verletzungen davontrugen, einer von ihnen ein großes Hämatom am Bauch als Folge eines Fußtrittes von Hakim S. Er sei „sehr aggressiv“ gewesen, berichten die Männer übereinstimmend.

Sein Mandant habe die Situation „anders wahrgenommen“, sagt Verteidiger Jan Wunderlich. Er habe nicht verstanden, weshalb er das Zelt hätte verlassen sollen und auch nicht, warum er von der der Frau angegriffen wurde, deshalb habe er sich widersetzt. Alle seien zudem alkoholisiert gewesen, vor allem die Frau.

Hakim S., der 2015 nach Deutschland gekommen ist, lebt seit sieben Jahren bei einer Familie in Regensburg. Er habe akzeptiert, dass Frauen in Deutschland anders gekleidet seien, sagt seine Ersatzmutter als Zeugin. Hakim S. habe auch bei der Polizei noch nicht gewusst, worum es gehe. Der Staatsanwalt lässt sich davon wenig beeindrucken: „So lieb und brav wie zu Hause sind Sie nicht“, sagt der Anklagevertreter in seinem Plädoyer. Alle Vorwürfe hätten sich aus seiner Sicht durch die Zeugenaussagen bestätigt. Hakim S. habe „nicht alles richtig gemacht“, wie dieser es selbst glaube. „Sie haben Frauen geschubst, Sie haben der Aufforderung das Zelt zu verlassen, nicht Folge geleistet. Sie waren hoch aggressiv.“ Erschwerend komme sein Verhalten im Gerichtssaal hinzu, das den nötigen Respekt vermissen lasse. „Sie haben sich bei keinem der Zeugen entschuldigt, stattdessen geschwiegen und den Kopf geschüttelt.“ Als der Staatsanwalt ihm prophezeit, er werde beim nächsten Mal nicht mehr mit einer Geldstrafe davonkommen, lässt Hakim S. ein verächtliches „ffffft“ hören. Letztlich hält die Anklage alle Zeugenaussagen für glaubwürdig und fordert eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro. Man müsse den um sich greifenden sexuellen Belästigungen Einhalt gebieten und sie entschieden bestrafen, fügt der Staatsanwalt hinzu.

Verteidiger Jan Wunderlich hingegen sieht es als nicht ausreichend erwiesen an, dass sein Mandant Sabrina P. an den Po gefasst hat. Deshalb habe es Hakim S. auch kein Unrechtsbewusstsein gehabt, als er aufgefordert wurde, das Zelt zu verlassen und sich dagegen gewehrt. Er habe keine kriminelle Energie und den Widerstand schließlich zugegeben. Der Verteidiger plädiert für lediglich 60 Tagessätze zu je 60 Euro. Das Gericht folgt in seinem Schuldspruch jedoch dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.