(ra). Ein gewöhnlicher Journalist? Nein, das ist Adam Davis Fernsby keineswegs, denn typische Themen wie Politik, Wirtschaft oder aktuelle Skandale interessieren ihn nicht. Fernsby widmet sich viel lieber Brettspielen. Der Brite, der an der University of London Journalismus und Game Design studierte, hat sich darauf spezialisiert.

Ob in Berliner Cafés oder englischen Pubs – Fernsby beobachtet, wie Brettspiele quer durch Europa eine Wiedergeburt erleben. Dabei führt er ein Leben, das gleich zwei Leidenschaften vereint: das Erzählen und das Spielen.
Warum Brettspiele wieder boomen
Für Adam Davis Fernsby ist das Comeback der Brettspiele kein kurzfristiger Hype und auch nicht einfach irgendeine Nostalgiewelle. Er sieht darin eine Reaktion auf unsere zunehmend digitale Welt. „Wir haben uns an Bildschirme gewöhnt, aber nicht daran, wie einsam sie uns machen. Diese Einsamkeit können wir mit Brettspielen gezielt angehen. Gemeinsam mit anderen tauchen wir in eine analoge Erlebniswelt, die wir anfassen und gestalten können.“ Immer wieder betont er, wie wichtig das Haptische in unserer zunehmend digitalisierten Welt ist.
Vor allem in großen Städten wie Berlin, Madrid oder Wien beobachtet er das Phänomen ganz genau. Dort bilden sich lange Schlangen vor Brettspielcafés, in denen junge Erwachsene neue Spiele ausprobieren. Kinder sieht man hingegen nur selten. In Deutschland ist die Bewegung besonders sichtbar. In Buchhandlungen stehen ausgezeichnete Spiele gleich neben Romanen und Sachbüchern. „Sobald du in eine Buchhandlung gehst, siehst du direkt, wie präsent Brettspiele wieder sind. Sie wirken nicht weniger attraktiv als die neuesten Bestseller. Manche Kunden kommen sogar extra wegen dieser Spiele und nicht, weil sie ein Buch kaufen möchten.“

Eine neue Welle der Kreativität
Fernsbys Analysen zufolge hängt der aktuelle Erfolg von Brettspielen nicht mit Klassikern wie Monopoly zusammen. Diese seien zwar noch immer präsent, doch die eigentliche Energie komme von modernen Spielen aus Europa. „Monopoly ist nach wie vor eines der ganz großen Brettspiele – ein unvergesslicher Klassiker. Heutzutage sind es jedoch andere Arten von Games, die uns begeistern.“ Als Beispiel nennt er unter anderem Detective, bei dem Spieler gemeinsam einen Kriminalfall lösen. Doch auch Gloomhaven und Pandemic scheinen ihn sichtbar zu begeistern.
„Spiele wie Gloomhaven oder Pandemic wären vor zwanzig Jahren undenkbar gewesen“, erklärt er in einem seiner Artikel. Die neuen Spiele zeichnen sich durch erzählerische Tiefe und komplexe Mechaniken aus. Gerade kooperative Spiele hätten in den letzten Jahren enorm an Beliebtheit gewonnen. Seiner Meinung nach zeigt das, dass Menschen lieber zusammen Probleme lösen, als gegeneinander zu kämpfen. Für Fernsby ist das ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen. In einer Zeit, in der Konkurrenz dominiert, bieten kooperative Spiele eine Art kulturellen Gegenentwurf. „Man spielt nicht, um zu gewinnen, sondern um gemeinsam etwas zu schaffen.“
Gerade das ziehe viele Menschen an, die sich selbst nicht als Gamer sehen würden. Selbst Skeptiker finden immer häufiger Gefallen an Brettspielen. Dass sich dieser Trend in den kommenden Jahren fortsetzen wird, steht für Fernsby außer Frage. Brettspiele begeistern schließlich Menschen aller Altersklassen und Hintergründe.
Brettspiele als Spiegel der Gesellschaft
Neben seiner journalistischen Arbeit beobachtet Fernsby die Szene auch als Game Designer. Während seines Masterstudiums an Goldsmiths habe er gelernt, Spiele als kulturelle Texte zu lesen. „Wenn du sehen willst, was eine Generation beschäftigt, schau dir ihre Spiele an“, sagt er. Die Themen, die in modernen Spielen auftauchen, sind laut Fernsby keine Zufälle. Er sieht sie als eine Art Kommentar, um auf gesellschaftliche Herausforderungen hinzuweisen. Aus gutem Grund erlebte Pandemic während der Pandemie einen gewaltigen Boom.
Zwischen Würfeln und Worten
Ob als Journalist oder als Spieler – Adam Davis Fernsby bewegt sich in einer Welt, in der Geschichten auf vielfältige Weise erzählt werden. Für ihn ist das Schreiben wie das Spielen. „Beides lädt zum Nachdenken, zum Fühlen und zum gemeinsamen Erleben ein. Man muss sich nur darauf einlassen und das ist ganz einfach.“
In einer Zeit, in der vieles virtuell geworden ist, erinnert er daran, dass manche der besten Geschichten immer noch am Tisch beginnen – mit einem Stapel Karten, ein paar Freunden und einer Prise Zufall. Dass es dabei gelegentlich zu Streitigkeiten kommt, gehört für ihn dazu.
Was die Zukunft bringt
Auf die Frage nach der Zukunft des Brettspielbooms antwortet Fernsby vorsichtig. „Ich will hier keine Prognosen aufstellen. Einige Tendenzen zeichnen sich jedoch ab.“ Zum einen glaubt er, dass Hybridspiele mit analogen und digitalen Komponenten weiter wachsen werden. Trotzdem hält er das klassische Spielmaterial für unersetzlich. „Das Gefühl, eine Karte zu mischen oder eine Spielfigur zu bewegen, kann man nicht einfach digitalisieren.“ Zum anderen sieht er großes Potenzial im Bildungsbereich. Immer mehr Lehrer nutzen Spiele im Unterricht, um komplexe Themen greifbarer zu machen.
Zum Schluss spricht er noch über die zunehmende Vielfalt in der Spielentwicklung. Immer mehr Kreative aus unterschiedlichen kulturellen Hintergründen prägten die Szene. Dadurch würden neue Perspektiven in die Spielewelt gebracht. „Die Zukunft der Brettspiele“, so Fernsby, „liegt weniger in den Mechaniken, sondern in den Stimmen, die sie erschaffen.“