LINKE diskutiert über Syrienkrieg – Armut, Korruption und Krieg als Fluchtursachen
(ra) Syrien scheint auf den ersten Blick weit entfernt von Straubing. Und doch sind auch hier längst die Folgen des dortigen Krieges in Gestalt von Flüchtenden sichtbar. Anlass für den Straubinger Ortsverband der Partei DIE LINKE, sich intensiver mit den Hintergründen des Krieges in Syrien zu beschäftigen. Bei einer Abendveranstaltung am Donnerstag in der Gaststätte Unterm Rain konnte der Ortsvorsitzende Karl Ringlstetter den libanesischen Arzt und Politaktivisten Bassel Osman als Referenten begrüßen. Osman, der selbst in Syrien Medizin studierte, ging dabei mit allen Konfliktparteien hart ins Gericht. Sowohl dem Westen, Russland als auch den Nachbarstaaten gehe es vornehmlich um eigene Interessen, nicht um die notleidende Zivilbevölkerung in Syrien.
Düster, so Osman, stelle sich die Lage zur Zeit im Nahen Osten dar. Knapp zwölf Millionen Syrer seien auf der Flucht, davon etwa fünf Millionen außerhalb des Landes. Genaue Angaben über die Zahl der Opfer lägen nicht vor, Schätzungen gehen von bis zu 500.000 Todesopfern aus.
Seinen Anfang habe der aktuelle Konflikt 2010 mit dem „arabischen Frühling“ genommen, einer zunächst tunesischen Protestbewegung gegen Polizeiwillkür und Demütigung, die sich rasch auf den ganzen Nahen Osten ausweitete. Auch in Syrien stieß die Protestbewegung auf fruchtbaren Boden. Seit der Jahrtausendwende sei es in Syrien zu einer zunehmenden Verarmung der Unter- und Mittelschichten gekommen, während eine kleine Elite um den herrschenden Familienclan der Assads enormen Wohlstand angehäuft habe. Eine politische oder zivilgesellschaftliche Opposition existierte bis dahin infolge staatlicher Unterdrückung nicht. Syrien befinde sich seit bereits 46 Jahren im Notstand, Kritik an der Regierung sei nicht geduldet.
Vor diesem Hintergrund seien die Proteste in Syrien zunächst erstaunlich friedlich verlaufen. Gefordert wurden Reformen, nicht jedoch der Sturz der Regierung. Gleichwohl habe diese rasch mit Gewalt auf die Demonstrationen reagiert und das Militär gegen Zivilisten eingesetzt. Dies habe einerseits zu einer raschen Militarisierung der Proteste geführt, andererseits habe die Regierung tausende inhaftierte Islamisten aus den Gefängnissen entlassen. Während die demokratischen Kräfte der Opposition so zunehmend zermürbt und, soweit sie überlebten, in die Flucht getrieben wurden, gelang es den Islamisten rasch mit Geld und Waffen insbesondere aus den Golfstaaten ein Söldnerheer aufzubauen. Dabei seien viele Kämpfer weniger von der Ideologie des Islamischen Staats angetan, sondern von dem hohen Sold, den dieser bietet. Weiter festigen konnte sich der IS durch den Handel mit Öl und den Schmuggel von Kulturgütern.
Hier liegt aus Sicht von Bassel Osman auch der Schlüssel zur Bekämpfung des IS. Gelänge es, den Nachschub an Waffen und Geld abzuschneiden, würde der IS früher oder später kollabieren. Ein wirkliches Interesse daran kann Osman aber nicht erkennen. „Europa vertut hier eine Chance, die Flüchtlingskrise an ihren Wurzeln zu bekämpfen“. Osman bleibt dabei Realist: „Eine wirkliche Lösung der Syrienkrise wird noch Jahre in Anspruch nehmen. Aber sobald es gelingt, einen stabilen Waffenstillstand zu erreichen, werden die meisten Flüchtlinge zurück in ihre Heimat kehren.“ Dass die Syrer sich dann mit einer Diktatur abfinden, kann Osman sich nicht vorstellen. Das Land habe sich auf einen langen und blutigen Weg zur Demokratie begeben. Aufgabe fortschrittlicher Außen- und Sicherheitspolitik auch in Deutschland sei es dabei, die Menschen auf diesem Weg zu unterstützen und ihnen keine Steine in den Weg zu legen.