4. August 2025
Katz & Hund

Katzenverhalten verstehen – Warum Katzen tun, was sie tun

(pw) Sie streichen um unsere Beine, springen plötzlich auf Tische, legen sich genau auf das Buch, das wir gerade lesen, und reagieren auf den Namen „Mieze“ nur dann, wenn es ihnen passt. Katzen – sie faszinieren uns seit Jahrtausenden, und doch sind sie in vielen ihrer Verhaltensweisen ein Mysterium geblieben. Was genau treibt sie an? Warum tun sie, was sie tun? Und wie kommunizieren sie mit uns – und wir mit ihnen?

„Katzen sind keine kleinen Hunde – sie funktionieren komplett anders“, sagt Dr. Christina Wolf, Tierverhaltensbiologin an der Universität Leipzig. „Viele Menschen interpretieren Katzenverhalten aus einer menschlichen oder hundezentrierten Perspektive – und das führt oft zu Missverständnissen.“ Wer jedoch einmal beginnt, sich mit der subtilen Welt der Katzenkommunikation und ihren charakteristischen Eigenarten zu beschäftigen, betritt ein faszinierendes Universum aus Körpersprache, Instinkt, Emotion und Ritual.

Das stille Wesen: Warum Katzen keine Kläffer sind

Katzen sind von Natur aus stille Tiere. Ihre Kommunikation funktioniert überwiegend nonverbal – über Körpersignale, Mimik, Körperhaltung, den Schwanz oder über Lautäußerungen wie Miauen, Knurren oder Schnurren. Doch gerade das macht sie für viele Menschen so schwer zu „lesen“.

„Der Mensch ist ein visuell und auditiv orientiertes Wesen. Wir erwarten direkte Antworten, klare Reaktionen“, erklärt Susanne Giese, Katzenpsychologin aus München. „Katzen hingegen reagieren oft verzögert, leise oder gar nicht – was nicht bedeutet, dass sie nichts empfinden.“

Eine zuckende Schwanzspitze etwa bedeutet bei einer Katze nicht Freude, sondern Anspannung oder Nervosität. Ein halbgeschlossener Blick hingegen signalisiert Entspannung und Vertrauen. Viele Katzenhalter*innen interpretieren solche Signale falsch – mit manchmal gravierenden Folgen: „Nicht wenige Katzen landen in Tierheimen, weil ihre Menschen glauben, sie seien unnahbar oder aggressiv – obwohl sie schlicht missverstanden wurden“, sagt Giese.

„Er schaut mich an wie ein Mensch“ – Die tiefe Verbindung in einem Blick

Anna-Lena Friedrich aus Hamburg erinnert sich noch genau an den Moment, als sie ihre Katze Momo zum ersten Mal auf der Straße fand. „Er war völlig zerzaust, ausgehungert, aber stolz. Er hat mich angeschaut – nicht ängstlich, sondern prüfend. Es war, als würde er sagen: ‚Ich entscheide, ob du mir helfen darfst.‘“

Diese stille, fordernde Souveränität ist typisch für Katzen. Sie sind keine Bittsteller – eher Besucher in unserem Leben, die bleiben, solange sie sich wohlfühlen.

„Das macht es so besonders“, sagt Anna-Lena. „Du musst dir das Vertrauen einer Katze wirklich verdienen. Und wenn du es einmal hast, ist es ein Band, das tiefer geht als viele menschliche Freundschaften.“

Von Marotten und Macken: Warum Katzen sich manchmal „merkwürdig“ verhalten

Wer mit Katzen lebt, kennt sie – diese seltsamen Angewohnheiten: Das Kratzen an Möbeln, obwohl ein Kratzbaum danebensteht. Das Maunzen in der Nacht. Oder der plötzliche Sprint durch die Wohnung wie von einer Tarantel gestochen.

Doch hinter diesen scheinbar skurrilen Verhaltensweisen verbergen sich evolutionär begründete Verhaltensmuster. Die nächtliche Aktivität zum Beispiel ist ein Relikt der Dämmerungs- und Nachtaktivität von Wildkatzen. Auch das „Rennen im Kreis“ ist eine Art Übersprungshandlung – ein Ventil für aufgestaute Energie oder Reizüberflutung.

„Katzen sind Hochsensible. Ihre Sinne sind viel feiner als unsere. Eine winzige Veränderung im Raum – etwa ein neues Möbelstück – kann sie zutiefst irritieren“, erklärt Dr. Wolf. „Das äußert sich dann in Vermeidungsverhalten, Unruhe oder Protestpinkeln – was keine Boshaftigkeit ist, sondern Stress.“

Miauen, Schnurren, Fauchen – Sprache mit vielen Bedeutungen

Katzen miauen – aber interessanterweise fast nur gegenüber Menschen. Untereinander nutzen sie weitgehend Körpersprache oder Duftbotschaften. Das Miauen hat sich im Laufe der Domestikation entwickelt – als Mittel, um mit Menschen zu kommunizieren.

Und selbst das berühmte Schnurren ist kein eindeutiges Zeichen für Wohlbefinden. „Katzen schnurren auch, wenn sie Schmerzen haben, um sich selbst zu beruhigen“, erklärt Katzenexpertin Giese. „Es ist eher eine Art Selbstheilungston – und manchmal auch eine Bitte um Nähe.“

Das typische Fauchen hingegen ist ein klares Warnsignal: „Geh weg, ich brauche Abstand!“ Wer dieses Signal ignoriert, riskiert eine schmerzhafte Lektion.

Territorium, Routine und Kontrolle: Die Welt der Katze verstehen

Katzen sind territoriale Wesen. Ihr Zuhause ist nicht nur ein Ort – es ist ihre Welt, ihr Reich. Veränderungen in diesem Revier können tiefgreifende Unsicherheit auslösen.

„Wenn der Futternapf plötzlich auf der anderen Seite der Küche steht, kann das für manche Katze bereits ein Problem sein“, erklärt Dr. Wolf. Deshalb ist Routine für Katzen so wichtig. Feste Fütterungszeiten, stabile Rückzugsorte, ein verlässlicher Alltag – all das vermittelt Sicherheit.

Ein häufiger Fehler vieler Halter*innen sei laut Giese die „Verhätschelung“ von Katzen. „Viele Menschen wollen ihre Katze permanent bespaßen, streicheln oder auf den Arm nehmen – aber Katzen sind Kontrollfreaks. Sie wollen selbst entscheiden, wann und wie Nähe stattfindet.“

Der Katzenschwanz – Seismograph der Gefühle

Wer wissen will, wie es einer Katze geht, sollte ihr genau auf den Schwanz schauen. Dieser ist ein faszinierendes Instrument nonverbaler Kommunikation. Ein aufrechter Schwanz mit leicht gebogener Spitze signalisiert Freude und Begrüßung. Ein peitschender Schwanz hingegen – vor allem im Liegen – zeigt Ärger oder Nervosität.

„Viele Bisse und Kratzer passieren, weil Menschen den Moment übersehen, in dem aus Spiel plötzlich Ernst wird“, erklärt Giese. „Die Körpersprache warnt vorher – aber wir müssen sie lesen lernen.“

Die Katzensprache der Nähe – Ein Nasenstupser sagt mehr als tausend Worte

Wenn eine Katze mit der Stirn an uns reibt oder uns mit der Nase berührt, drückt sie tiefes Vertrauen aus. Diese Geste nennt man auch „Allorubbing“ – ein Verhalten, das unter engen Sozialpartnern auftritt. Es dient auch dem Austausch von Duftstoffen – denn Katzen nehmen ihre Welt primär über Geruch wahr.

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„Katzen haben Duftdrüsen an den Wangen, an der Stirn und rund um den Schwanz. Wenn sie sich an Möbeln reiben, markieren sie ihr Territorium“, sagt Dr. Wolf. „Das ist kein Protest – das ist Heimatgestaltung.“

Die Seele der Katze – Warum ihr Verhalten oft mehr über uns sagt als über sie

Katzen spiegeln ihre Umwelt – und damit auch uns. Sie reagieren auf unsere Stimmung, unser Verhalten, unsere Energie. Wer gestresst ist, hat oft eine unruhige Katze. Wer ruhig und achtsam ist, wird oft mit einer verschmusten, ausgeglichenen Katze belohnt.

„Ich habe über meine Katze gelernt, mich selbst besser zu beobachten“, sagt Thomas M. aus Regensburg. „Wenn sie plötzlich Rückzug sucht, frage ich mich: Was hat sich bei mir verändert? Und oft finde ich tatsächlich einen Zusammenhang.“

Diese subtile Wechselwirkung ist einer der Gründe, warum Katzen in der tiergestützten Therapie zunehmend an Bedeutung gewinnen. Sie helfen Menschen, achtsamer zu werden – nicht durch Aktion, sondern durch Reaktion.

Das große Missverständnis: Katze und Kind – ein schwieriges Kapitel

„Die Katze greift mein Kind an!“ – Solche Beschwerden hören Tierpsycholog*innen immer wieder. Doch oft liegt kein „Angriff“ vor, sondern eine Überforderung.

„Kinder sind laut, spontan, unkoordiniert – für viele Katzen ist das purer Stress“, erklärt Susanne Giese. „Wenn eine Katze sich zurückzieht, muss das respektiert werden – sonst wehrt sie sich.“

Der richtige Umgang mit Katzen sollte daher schon im Kindesalter erlernt werden. „Wer einer Katze ihre Würde lässt, bekommt so viel zurück – aber Respekt ist der Schlüssel“, sagt Giese.

Mythos Einzelgänger – Die soziale Seite der Katze

Katzen gelten als Einzelgänger – doch das stimmt nur zum Teil. Hauskatzen können sehr soziale Tiere sein, wenn die Bedingungen stimmen. Vor allem Geschwistertiere oder gemeinsam aufgewachsene Katzen bilden enge Bindungen – mit gemeinsamen Schlafplätzen, Körperpflege und Spiel.

Aber: „Nicht jede Katze braucht Gesellschaft“, betont Dr. Wolf. „Einfach zwei Katzen zusammenzustecken, ist keine Lösung. Es muss wirklich passen – sonst entsteht Dauerstress.“

Die Sprache des Schnurrens – Eine Frequenz mit Wirkung

Das Schnurren der Katze bewegt sich in einem Frequenzbereich von 25 bis 150 Hertz – genau dem Bereich, der auch in der Physiotherapie zur Heilung von Knochen und Gewebe verwendet wird. Studien legen nahe, dass das Schnurren nicht nur die Katze selbst beruhigt, sondern auch heilend auf Menschen wirken kann.

„Es ist wie ein akustischer Kokon“, sagt Thomas M. „Wenn meine Katze schnurrt, spüre ich, wie mein Puls ruhiger wird.“

Der letzte Blick – Wenn Katzen sich verabschieden

Katzen wissen oft sehr genau, wann ihre Zeit gekommen ist. Viele ziehen sich zurück, suchen Stille, Dunkelheit, Distanz. „Das ist schwer für viele Halter*innen – aber es ist ihre Art, Abschied zu nehmen“, sagt Giese.

Die Tierpsychologin erinnert sich an eine Begegnung, die sie nie vergessen wird: „Eine alte Katze, 19 Jahre alt, ging in den Garten, legte sich in die Sonne und sah ihrem Menschen noch ein letztes Mal in die Augen. Es war ein stilles, klares Lebewohl.“

Fazit: Wer Katzen verstehen will, muss lernen, zu sehen – nicht zu fordern

Katzen sind keine Unterhalter. Sie sind keine Kuscheltiere. Sie sind nicht dafür da, uns zu gefallen. Und doch – oder gerade deshalb – berühren sie unsere Seele auf eine ganz besondere Weise.

Sie zeigen uns, wie stilles Vertrauen aussieht. Wie Respekt gelebt wird. Wie Nähe ohne Klammern funktioniert.

Und vielleicht liegt genau darin ihre größte Botschaft an uns.