Landshut

Genossen kontern Genossen: Algerien, Marokko und Tunesien sind nicht „sicher“!

Die Landshuter Genossen, die dem Forum Demokratische Linke 21 e.V. angehören, haben am Sonntag einen Brief an die Bayerischen SPD-Abgeordneten verschickt. Sie distanzieren sich von dem Abstimmungsverhalten der 126 Bundestagsabgeordneten, die am Freitag für die Änderung des Asylgesetzes gestimmt haben.

„Für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen“, heißt es zu Beginn des Schreibens. 

v.l.: Herbert Lohmeyer, Henning Höppe, Wolfgang Schmid, Anja König, Hugo Steiner, Stephan Isphording, Benjamin Lettl (Mitglieder der DL 21 Bayern, Sprecherteam)

Diesem Urteil, formuliert vom Bundesverfassungsgericht schon 1996 ist aus Sicht der DL21 Bayern fast nichts hinzuzufügen. Die Unterzeichner weisen nur ergänzend darauf hin, dass mit den genannten Personen- und Bevölkerungsgruppen auch LGBT*-Menschen gemeint sind – also Schwule, Lesben, Bisexuelle, Transgender etc.

Der Bundesparteitag 2017 hat den Antrag der Berliner SPD und der Arbeitsgemeinschaft SPDqueer, die Staaten Tunesien, Marokko und Algerien nicht zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, in den Arbeitsprozess #SPDerneuern des SPD-Parteivorstands überwiesen.

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Dennoch hat der Bundestag am 18. Januar unter tatkräftiger Unterstützung durch die SPD-Fraktion der Einstufung von Staaten im Maghreb sowie Georgien als „sichere Herkunftsländer“ zugestimmt. Aufgrund nachvollziehbarer Informationen über diese Länder ist hinlänglich bekannt, dass diese für LGBT*-Menschen nicht sicher sind, weil diese dort verfolgt werden – von Seiten des Gesetzgebers mit hohen Gefängnisstrafen und von Teilen der Gesellschaft durch Ächtung.

Die Befürworter dieses Bundestagsbeschlusses würden demnach geltende Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie Beschlüsse des Bundesparteitags missachten und der Bevölkerung weismachen wollen, dass sich für Verfolgte in diesen Ländern kaum etwas ändert, wenn sie an Deutschlands Asyltür klopfen.

Die Beweislast liegt nun allein beim Asylbewerber, noch dazu bei sehr kurzen Fristen – wird der Antrag abgelehnt, hat ein Widerspruch keine aufschiebende Wirkung mehr und es wird unverzüglich abgeschoben. Ein Widerspruch muss vom Heimatland aus erfolgen.

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Hinzu kommt, dass ein Outing als homosexueller Mensch generell schwer fällt, insbesondere in Gesellschaften, in denen das tabuisiert und strafbar ist. Noch schwerer fällt ein Outing gegenüber Behördenmitarbeitenden – im Heimatland droht von solchen Verfolgung. In den Schnellverfahren bei Anträgen aus einem „sicheren Herkunftsland“ fehlt ausreichender Zugang zu fachkundiger Beratung und ausreichendem Rechtsschutz, es schließt sie faktisch von einer fairen Prüfung ihrer Asylgründe aus.

„Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands war immer auch Anwältin der Menschenrechte, sie war solidarisch mit politisch Verfolgten,“ erinnern die Unterzeichner .

Die DL21 Bayern bringt ihr Entsetzen zum Ausdruck, dass die breite Mehrheit der SPD-Bundestagsabgeordneten – auch der bayerischen – nicht nur die Rechtssprechung des BVerfG sondern auch Parteitagsbeschlüsse ignoriert und den Menschenrechten von LGBT*-Menschen in den Rücken fällt. #SPDerneuern bedeutet auch Schutz der Menschenrechte, Solidarität mit Verfolgten.

Unterzeichnet haben diesen Brief Simon Grajer, Prof. Dr. Henning Höppe, Anja König, Benjamin Lettl, Herbert Lohmeyer, Petra Metzger, Wolfgang Schmid, Hugo Steiner und Jonas Lanig.