Geiselhöring

Ein Blick in die Zukunft der Berufsausbildung

(rp) Wie steht es um die Ausbildungsplatzsituation in Geiselhöring? – diese Frage wollte die Geiselhöringer SPD in ihrer aktuellen DIALOG-Veranstaltung am Donnerstag in die Taverne Korfu in Geiselhöring klären. Fach- und Arbeitskräftekräftemangel aber auch offene Lehrstellen einerseits, unerfüllte Berufswünsche und ratlose Schulabgänger*innen andererseits. Wie bringt man beides zusammen und auf einen guten Weg?

SPD Geiselhöring im Dialog - Berufsausbildung
Tauschten sich zum Thema „Ausbildung – braucht´s das!?“ in einer sehr informativen Diskussion aus: (von links) SPD-Ortsvorsitzender Michael Meister, Gewerkschafter Andreas Bernauer (ver.di), Bereichsleiter/Pflege an der Klinik Mallersdorf Andreas Schneider, Berufsberaterin Anna Zwickenpflug, Geschäftsstellenleiter der Arbeitsagentur Straubing/Bogen Christoph Schambeck, Konditormeister Hans-Georg Löw und SPD-Ortsvorsitzende Barbara Kasberger – Foto: Rainer Pasta

Dies diskutierten die Berufsberaterin der Bundesagentur für Arbeit, Anna Zwickenpflug, der Geschäftsstellenleiter der Arbeitsagentur in Straubing/Bogen, Christoph Schambeck, der Gewerkschafter Andreas Bernauer (ver.di) sowie der Bereichsleiter/Pflege an der Klinik Mallersdorf Andreas Schneider und Konditormeister Hans-Georg Löw, Vorsitzender der Gesellenprüfungskommission Bayern und Vertreter im Arbeitskreis Ausbildung.

SPD-Ortsvorsitzende und Schulleiterin Barbara Kasberger stellte die provokante Frage: Lohnt sich Ausbildung heute überhaut noch? Damit hatte sie den Fokus sowohl auf die Sorgen der Betriebe als auch auf die Motivation der Auszubildenden gelegt. Viele Fragen ploppten dabei auf: Was kann/muss ich als Ausbilder heute bieten? 290 Follower – da lockt das große Geld als Influencer? Müssen alle das Abitur machen? Ausbildungsabbruch – was nun? Ein spannendes Feld, auf dass sich die Diskussionsteilnehmer wagten.

Aus Hilfskräften werden Fachkräfte

Christoph Schambeck, Geschäftsstellenleiter der Arbeitsagentur in Straubing/Bogen, bot als erstes aktuelles Zahlenmaterial um die Diskussion auf sichere Füße zu stellen. Zuerst die guten Nachrichten: Alles Schüler*innen der Abschlussklassen in Geiselhöring haben einen Ausbildungsplatz. Die Arbeitslosenquote im Landkreis Straubing-Bogen liegt bei 2,7 Prozent, in der Stadt Straubing bei 5,5 Prozent – das heißt eigentlich „Vollbeschäftigung“. Doch nun zum Negativen: den rund 1300 gemeldeten Ausbildungsstellen stehen aktuell 650 Bewerber gegenüber. Dabei muss man aber davon ausgehen, so Schambeck, dass auf jede gemeldete Ausbildungsstelle bis zu fünf offene fallen. Das gebe im Endeffekt ein Verhältnis von bis zu 1:5.

Bei den gemeldeten freien Arbeitsplätzen sehe es ähnlich aus: auf 2200 (+x) offene Stellen kommen 1300 Arbeitssuchende. „Wir sprechen nicht mehr nur vom Fachkräftemangel, wir haben einen akuten Arbeitskräftemangel, denn die Probleme gehen quer durch die Qualifikationsebenen“, so Schambeck. Anschließend stellte er das auf dem Qualifizierungschancengesetz basierende Förderprogramm zur Weiterqualifizierung vor. Je nach Qualifikation, kann es hier Aufstiegsförderungen oder Bildungsgutscheine geben.

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„Wir haben einen akuten Arbeitskräftemangel“

Christoph Schambeck betonte, dass sich mit dem sukzessiven Ausscheiden der besonders geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt die Bedeutung der erwerbsorientierten Zuwanderung für Deutschland sehr stark verändert. Sie sei eine der drei Säulen der europaweit einmaligen Fachkräftesicherungsstrategie der Bundesregierung.  Seine Kollegin, Anna Zwickenpflug, berichtete anschließend aus ihrer Arbeit als Berufsberaterin an der Geiselhöringer Mittelschule und sprach sich für die Intensivierung der beruflichen Praktika aus, da diese den Weg zur Ausbildung am besten gewährleisteten.

In der weiteren Diskussion wurden die Folgen des Überangebots an Ausbildungsplätzen thematisiert. Der Trend zum „guten Job“ bringe das bisherige Übergewicht der großen Industriebetriebe, die mit hoher Ausbildungsvergütung und vielen Sonderleistungen die kleinen Handwerksbetriebe oft aus dem Rennen kegelten ins Wanken. „Es reicht nicht mehr, bei einer Ausbildungsmesse ein tolles Auto auszustellen und schöne Prospekte zu verteilen“, so Andreas Schneider vom Klinikum Mallersdorf. Ein kreatives Angebot, ein sicherer, verantwortungsvoller Arbeitsplatz sei heute wesentlich attraktiver als Schichtarbeit.

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Ins selbe Horn stieß Konditormeister Hans Löw, der die Leidenschaft und die Freude am Handwerksberuf ins Feld führte. Auch wenn die viel beschworene Work-Life-Balance im Handwerk aufgrund der Kundenwünsche nicht immer gewährleistet werden kann, so biete eine Handwerkerausbildung doch enorme Vorteile: eine fundierte Ausbildung mit Fertigkeiten, die man sein Leben lang nicht vergisst. Wenn man dann auch noch für den gewählten Beruf „brennt“, gäbe es nichts Schöneres.

Chancen für vermeintlich Schwächere, statt „Bestenauslese“

Gewerkschafter Andreas Bernauer von ver.di, berichtete über die unterschiedliche Qualität der Ausbildung und Zufriedenheit der Auszubildenden in den verschiedenen Berufssparten. Er belegte dies an anschaulichen Beispielen. Neben der persönlichen Neigung, würden vor allem die Wertigkeit des Berufes und der Ausbildungsstätte, die Örtlichkeit und vor allem die Qualität der Ausbildung bei der Berufswahl entscheiden. Eine deutliche Absage erteilte Bernauer Bestrebungen, die Schutzbestimmungen für Beschäftigte, vor allem Jugendlicher aufzuweichen. Dem Wunsch nach Flexibilisierung und Öffnung der Arbeitszeitregelungen stehe der Schutz vor Arbeitsverdichtung und Überforderung unvereinbar gegenüber.

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Positiv bewertete Bernauer die Tendenz weg von der „Bestenauslese“, hin zur Chancengleichheit für vermeintlich schwächere Bewerber, zum Teil ohne entsprechende Schulabschlüsse. „Jeder hat eine Chance verdient, auch wenn er mal vom typischen Ausbildungsweg abgewichen ist“, so Bernreiter.  Hier hätte vor allem das Handwerk mit seiner persönlichen, individuellen Ausbildung und flexiblen Förderung gute Chancen geeigneten Nachwuchs zu generieren.

Blick in die Zukunft bei der Berufsausbildung

Wurden über Jahrzehnte Ausbildungsplätze für die Schulabgänger händeringend gesucht, so sind sie heute im Überfluss vorhanden. Konnten sich die Betriebe bisher die Besten aussuchen und immer höhere Schulabschlüsse fordern, so sind sie heute bereit, auch schwächere Schüler auszubilden. Waren Industrie und Banken bisher die beliebtesten Ausbildungsplätze, gibt es sie heute fast nicht mehr (Banken) oder die Bewerber wägen kritisch ab, was sie für einen „sicheren“ Arbeitsplatz zu opfern bereit sind.

War man früher auf den „guten Ruf“ eines Betriebes angewiesen, kann sich heute jeder ein transparentes Bild in den sozialen Medien und im Internet über den jeweiligen Betrieb machen. Alles ist im Umbruch, bekannte Beziehungen werden auf den Kopf gestellt. Was bringt die Zukunft? – auf diese Fragen fanden auch die Diskussionsteilnehmer keine befriedigende Antwort. Nur eins war allen klar: Die Betriebe haben nun die Aufgabe sich zu präsentieren, für sich und ihr Gewerk zu werben und sich als guter Partner in der Berufsausbildung zu zeigen.