Drei Fragen anlässlich drei Wochen Covid-19-Zentrum Bogen
(ra) Personal aus verschiedenen Bereichen der Klinik Bogen berichtet von Herausforderungen, Lichtblicken und seinen Wünschen für die Zukunft. Um ein generelles Stimmungsbild und eine erste Zwischenbilanz nach drei Wochen als Covid-19-Zentrum zu erhalten, haben wir drei Fragen an das Personal aus verschiedensten Bereichen der Klinik Bogen gestellt.
[su_note note_color=“#f99b32″]INFOBOX: Zahlen, Daten und Fakten zur Klinik Bogen (Stand 17.04.2020)
• Bislang entlassene Covid-19-Patienten: 49
• Derzeit werden zwischen 35 und 50 Covid-Patienten gleichzeitig im Haus versorgt.
• Derzeit wegen Covid-19-beatmete Patienten: 6
• Normale Beatmungskapazität in Nicht-Covid-Zeiten: 6 Plätze
• Aktuelle Beatmungskapazität: 8 Plätze, innerhalb von 24h auf 12 Plätze erweiterbar, weitere Beatmungsgeräte aus dem Kontingent wurden beantragt.
• Beatmungsdauer: insgesamt vergleichsweise lang. Die meisten Beatmeten müssen täglich für viele Stunden auf dem Bauch liegen, was einen erheblichen pflegerischen und ärztlichen Mehraufwand bedeutet.
• Verdachtsfälle und bestätigte Fälle werden jeweils auf getrennten Stationen behandelt.Den Master of Science „Berufspädagogik – Gesundheit und Pflege“. Interessierte Pädagoginnen und Pädagogen können sich im Rahmen eines Infoabends am 17. Juli ab 18 Uhr an der THD persönlich ein Bild machen. [/su_note]
1.) Was war im Zuge der Umwidmung der Klinik Bogen in ein temporäres Covid-19-Zentrum von all den Herausforderungen nach Ihrer Einschätzung die größte in Ihrem Arbeitsbereich?
Oberärztin Susanne Konrad, Hygienebeauftragte Ärztin Innere Medizin
Prinzipiell hat uns allen meiner Meinung nach zunächst die Entscheidung, ein temporäres Covid-19-Zentrum zu werden, am meisten zu schaffen gemacht. Jeder von uns hätte sich noch vor wenigen Monaten nicht vorgestellt, statt einer Akutklinik ein Zentrum zu werden, das ausschließlich Patienten mit einer hochinfektiösen, potenziell lebensbedrohlichen Erkrankung behandeln soll.
Ruth Heider, Stationsleitung Notaufnahme
Wir waren im Umkreis eine der ersten Stationen, die Covid-Patienten aufgenommen haben. Somit hatten wir keine Möglichkeit, Erfahrungswerte einzuholen. Vieles musste erst einmal von der Theorie in die Praxis umgesetzt werden. Bereits in der ersten Woche funktionierten wir mit Hilfe der Hygiene und Technikabteilung die Station zu einem Isolierbereich um.
Chefarzt Dr. Markus Kestler, Anästhesie und Intensivmedizin
Es war eine Herausforderung, kurzfristig zusätzliche Intensivkapazitäten zu schaffen, zum Beispiel durch Umfunktionierung des Aufwachraums und ggf. einzelner Zimmer in der Notaufnahme. Das ärztliche und pflegerische Personal beweist derzeit maximale Flexibilität, auch in Form von Schichtdienst.
Hinzu kommt die zeitnahe Medikamentenbeschaffung für die Beatmungspatienten; viele Medikamente sind am Markt nicht mehr verfügbar bzw. werden immer knapper. Hier arbeitet unser Apotheker Dr. Peter Holzner eng mit uns zusammen und leistet großartige Arbeit, um die Intensivstation medikamentös am Laufen zu halten.
Cathleen Baumgartner, Stationsleitung Station 1.2
Aus Sicht der Pflegenden herrschte anfänglich eine gewisse Unsicherheit und daraus resultierend Angst im Umgang mit Covid-19. Inzwischen hat sich aber durch viele Schulungen, Gespräche und Erfahrung ein sicherer Umgang und eine fachliche Kompetenz entwickelt.
Grit Hädrich, Bereichsleitung Intensivstation und Notaufnahme
Im Akkordverfahren haben wir Kollegen aus anderen Abteilungen eingearbeitet, um bis zu 12 Beatmungspatienten versorgen zu können. Eine anhaltende Herausforderung ist die körperliche Belastung durch das permanente Tragen der persönlichen Schutzausrüstung.
Rita Schöberl, Leitung Reinigungsdienst
Auch im Reinigungsdienst arbeiten alle mit Masken und Schutzausrüstung. Wir haben Rufdienst, sind also Tag und Nacht zur Stelle, damit jederzeit genügend saubere Zimmer zur Verfügung stehen. Die personelle Unterstützung aus dem momentan stillstehenden OP tut jedoch gut und weitere Verstärkung durch aktuell Arbeitssuchende ist bei uns sehr willkommen, auf Wunsch auch befristet für die Zeit der Corona-Krise.
Christina Schmidleitner, Assistenzärztin Innere Medizin
Da nun nur noch Patienten mit Verdacht auf oder bereits Bestätigter Covid-19-Infektion an unserer Klinik aufgenommen werden, werden die Kapazitäten, die ansonsten für chirurgischen Patienten vorgesehen sind, ebenfalls mit Covid-Patienten belegt. Daher hat sich der Zahl der Patienten, die von den internistischen Ärzten betreut werden, deutlich erhöht. Die Mehrbelastung kann von uns vor allem dadurch getragen werden, dass eine sehr gute kollegiale Zusammenarbeit stattfindet.
Leitende Oberärztin Dr. Dagmar Hilz, Allgemein-, Viszeral- und minimal invasive Chirurgie
Wir mussten in kürzester Zeit geplante Operationen absagen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den operativen Bereichen in das neue Aufgabenfeld „Behandlung von COVID-19-Patienten“ einarbeiten.
Assistenzarzt Savalan Mammadov, Chirurgie Wir Chirurgen mussten wir uns schnell in Krankheitsbilder einarbeiten, mit denen wir sonst wenig konfrontiert sind. Aber die gute kollegiale Zusammenarbeit mit den internistischen Kolleginnen und Kollegen hat mir schnell die Angst genommen.
Robert Betz, Vorstand Kreiskliniken Bogen-Mallersdorf
Wir haben alles in die Waagschale geworfen, um den von uns geforderten Beitrag zur Covid-Patientenversorgung zu leisten. Die Klinik Bogen erbringt nun aber als reines Covid-19 Haus ausschließlich unzureichend vergütete Behandlungsleistungen. Wir werden selbst bei Vollbelegung dramatisch schlechter gestellt, als wenn wir freie Kapazitäten vorhalten würden. Hier müssen wir, sofern der Gesetzgeber diesen Missstand nicht noch anders regelt, mit einem erheblichen zusätzlichen Defizit rechnen. Andere Kliniken mussten außerdem den operativen Betrieb nicht einstellen, wir gänzlich. Daher wird eine komplexe Aufgabe in der „Zeit nach Corona“ die Wiederaufnahme des Normalbetriebs.
2.) Was hat sie bei Ihrer Arbeit seither positiv überrascht oder worauf sind Sie besonders stolz?
Robert Betz
Überrascht hat mich in diesem Sinne eigentlich gar nichts, weil ich immer schon wusste, was für eine gute Mannschaft wir in unseren beiden Kliniken haben. Hierüber war und bin ich sehr froh.
Dr. Markus Kestler
Das gesamte Krankenhaus ist derzeit mit einem gut funktionierenden Uhrwerk zu vergleichen, bei dem die einzelnen Rädchen perfekt ineinandergreifen – gerade was die intensivmedizinische Zusammenarbeit von Innerer Medizin und Anästhesie angeht. Alle Abteilungen sind zu einem großen „Wir“ verschmolzen und das unabhängig von Titel und Position.
Grit Hädrich
Der große Zusammenhalt und das Engagement aller Mitarbeiter zusätzliche Dienste zu übernehmen, ist aktuell überwältigend. Jeder denkt mit, bringt Ideen und Verbesserungsvorschläge mit ein, so dass unsere Arbeitsabläufe ständig optimiert und weiterentwickelt werden können. Die Zusammenarbeit mit Kollegen anderer Abteilungen ermöglicht einen Blick über den Tellerrand hinaus und fördert das kollegiale Miteinander mehr denn je.
Cathleen Baumgartner
Aufgrund der Zusammenarbeit der Mitarbeiter aus unterschiedlichen Fachbereichen, hat sich ein guter Teamgeist und ein starker Zusammenhalt entwickelt.
Ruth Heider
Die Stimmung auf Station ist gut. Die meisten sind sogar bereit, innerhalb kürzester Zeit, Ersatzdienste anzubieten.
Ltg. Reinigungsdienst Rita Schöberl
Auch im Reinigungsdienst halten alle halten zusammen, keiner drückt sich und jeder macht seine Arbeit ohne zu klagen.
Dr. Mathias Grohmann
Besonders überrascht hat mich die Flexibilität, das Engagement und das Durchhaltevermögen unseres Personals. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden nach entsprechenden Schulungen und Einweisungen beispielsweise auf Stationen oder Bereichen eingesetzt, wo sie sonst nicht tätig sind. Der Umgang mit infektiösen Patienten ist uns zwar nicht neu, rund 50 Covid-19-Fälle auf einmal im Haus zu behandeln, verlangt uns jedoch gerade im Hinblick auf die notwendigen Hygienemaßnahmen viel ab. Die Krise hat uns alle hier schon ein bisschen „zusammengeschweißt“.
Christina Schmidleitner
In der Inneren Medizin werden wir tatkräftig von den Kollegen der Chirurgie und der Anästhesie unterstützt, ebenso ist im pflegerischen Bereich und auch bei allen weiteren Krankenhausmitarbeiten, Reinigungsdienst, Küche, Pforte, etc., eine große Hilfsbereitschaft bemerkbar.
Dr. Dagmar Hilz
Erfreulich ist, dass die enge Zusammenarbeit zwischen den unterschiedlichen Fachbereichen, Berufsgruppen und Hierarchiestufen auf die Schnelle und anhaltend so gut und kollegial funktioniert.
Susanne Konrad
Das Arbeitsklima ist trotz der körperlich und psychisch belastenden Situation so gut wie eh und je. Ich bin einfach nur stolz auf alle Beschäftigen der Klinik! Ich glaube, die Bevölkerung hier und die lokale Politik hat durchaus mitbekommen, was in Bogen geleistet wird. Wir bekommen jedenfalls von allen Seiten positive Rückmeldungen, was uns riesig freut und aufbaut. Oft erreicht uns dieser Dank auch in Form von kleinen Aufmerksamkeiten, wie zum Beispiel gespendeter Pizza oder Salaten.
3.) Was wünschen Sie sich für die nächste Zeit von der Öffentlichkeit, der Bevölkerung oder auch von der Politik?
Grit Hädrich
Wir appellieren an die Vernunft der Bevölkerung, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten, um die Zahlen der Neuerkrankungen niedrig halten zu können. Seitens der Politik bitten wir inständig darum, alle Bemühungen zu unternehmen, dass immer genügend Schutzausrüstung vorrätig ist. Die Angst seitens des versorgenden Personals, irgendwann ohne ausreichende Schutzausrüstung arbeiten zu müssen, ist nach wie vor sehr groß.
Absolut unverständlich ist für mich die Zuteilung des Corona Pflegebonus. Reinigungskräfte und nicht pflegerisch ausgebildete Stationsassistenten werden dabei völlig vergessen, obwohl sie genauso wie Pflegekräfte und Ärzte jeden Tag ihren Beitrag bei der Versorgung von Covid-Patienten leisten. Ohne sie würde der Laden nicht laufen.
Susanne Konrad
Ich würde mir natürlich wünschen, dass auch überregional wahrgenommen wird, dass in dieser Situation eine kleinere Klinik – die sonst gerne von Institutionen wie der Bertelsmann-Stiftung als verzichtbar angesehen wird – in die Bresche gesprungen ist, um die Versorgung von Covid-Patienten zu ermöglichen und damit auch die Nachbarkliniken zu entlasten.
Dr. Mathias Grohmann
Ich wünsche mir, dass die Corona-Krise wenigstens etwas Gutes mit sich bringt, nämlich dass die wohnortnahen Krankenhäuser in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit und der Politik wieder zu dem werden, was sie sind: dringend bedarfsnotwendige und unverzichtbare Leistungsträger bei der Versorgung unserer Bevölkerung. Hoffentlich erinnert man sich an unser Engagement, wenn die Krise überwunden ist!
Robert Betz
Es ist an der Zeit zu erkennen, wie wichtig im Gesamtkontext auch die „Kleinen“ sind. Deren Existenzberechtigung sollte nicht immer wieder, wenn es mal ruhig ist, aufs Tableau gebracht und dem Diktat der Wirtschaftlichkeit unterworfen werden. Es geht und ging immer um die Gewährleistung der Daseinsvorsorge für die Bevölkerung. Das muss auch etwas wert sein.
Ruth Heider
Die Politik sollte weiterhin Stärke und Durchsetzungskraft zeigen, und die Beschränkungen nicht voreilig lockern. Durch die enorme Arbeitsintensität und den hohen Personalbedarf kann die Pflege den Anforderungen über die Monate hinweg sonst nicht gerecht werden, vor allem wenn Personal selbst erkrankt und für die Patientenversorgung ausfällt. Außerdem müssten bessere Strukturen geschaffen werden, damit bereits genesene Patienten aus Altenheimen in anderen Einrichtungen versorgt werden können. Die Covid-Krankenhäuser brauchen Platz für neu und schwer erkrankte Patienten.
Christina Schmidleitner
Ich hoffe, dass ein schrittweiser Wiedereinstieg in den „normalen“ Krankenhaus- und Alltagsbetrieb von der Politik mit Nachsicht geplant und von der Bevölkerung akzeptiert wird. Weiterhin wäre eine Wertschätzung von „kleinen“ Krankenhäusern, wie wir sie im Moment von Politik und Bevölkerung erfahren, auch in der Zukunft wünschenswert.