(ra) In jeder vierten bayerischen Kommune gibt es keinen Lebensmittelmarkt mehr. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der Läden in Niederbayern von 817 auf 704 gesunken, wie das bayerische Innenministerium auf eine Anfrage der SPD-Landtagsfraktion einräumen musste. Die Landshuter Abgeordnete Ruth Müller, u.a. stellvertretendes Mitglied der Enquete-Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern“, ist von der Entwicklung alarmiert.

„Mittlerweile müssen 510 Kommunen in Bayern ohne eine wohnortnahe Versorgung mit den Dingen des alltäglichen Bedarfs auskommen. 158 davon haben nicht einmal mehr einen Bäcker oder Metzger. Im Schnitt machten in den letzten 15 Monaten monatlich fünf Läden zu“ so Müller am Donnerstag gegenüber regio-aktuell24. Im Landkreis Straubing-Bogen haben mehr als 9.800 Einwohner keine Nahversorgung am Ort. Es sind dies die Gemeinden Atting (1644 EW), Haselbach (1785 EW), Irlbach (1129 EW), Loitzendorf (622 EW), Perasdorf (566 EW). Perkam (1531 EW), Rattiszell (1479 EW) und Windberg (1068 EW).
Müller fordert staatliche Unterstützung für die betroffenen Kommunen: „Wenn Marktmechanismen dazu führen, dass die Nahversorgung in der Fläche gefährdet ist, muss es Aufgabe der öffentlichen Hand sein, etwas dagegen zu tun.“ Als Grund für den Rückzugaus der Fläche sieht Müller einen tiefgreifenden Strukturwandel und Konzentrationsprozess im Lebensmitteleinzelhandel. Denn während die Zahl der Lebensmittelmärkte um 9,5 Prozent abgenommen hat, ist die durchschnittliche Verkaufsfläche der verbliebenen Läden um knapp 24 Prozent gestiegen.
Wie schwierig es ist, sich den Expansionsplänen der Lebensmitteleinzelhändler zu entziehen, kennt Müller aus ihrer kommunalpolitischen Arbeit: in ihrer Heimatgemeinde Pfeffenhausen entsteht derzeit am Ortsrand in Nähe der B299 ein neuer Lebensmittelmarkt. Dafür wird der Markt in der Ortsmitte schließen. Müller hatte im Gemeinderat gegen den Neubau gestimmt und für den Erhalt des fußläufig in Siedlungsnähe gelegenen Marktes plädiert.
„Die Verlierer dieser Entwicklung sind die kleinen Supermärkte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 400 Quadratmeter. Das betrifft die Ortskerne im ländlichen Raum ebenso wie einzelne Viertel in Großstädten“, erklärt Müller und warnt vor einem Teufelskreis: „Wenn das Lebensmittelgeschäft vor Ort schließt, stirbt auch ein großes Stück an Lebensqualität. Gerade die ältere Bevölkerung ist auf eine wohnortnahe Versorgung mit den Dingen des täglichen Bedarfs angewiesen und junge Familien ziehen gar nicht erst in eine Gemeinde, die keinerlei Einkaufsmöglichkeiten bietet.“
Eine Schlüsselrolle bei der Sicherung der Nahversorgung sieht Müller, u.a. für Direktvermarktung im Arbeitskreis Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zuständig, in Dorf- und Stadtteilläden. Über 100 von ihnen wurden in den letzten zehn Jahren bayernweit gegründet. „Jeder Dorfladen basiert dabei auf der Eigeninitiative vor Ort und dem Engagement der Bürgerschaft“, lobt Müller und nennt in diesem Zusammenhang die Dorfläden in Irlbach oder Steinach. Hier setzen die Bürger gemeinsam ein Zeichen, dass Ihnen die Nahversorgung am Ort am Herzen liegt. Fakt ist aber auch, dass rein statistisch einem neuen Dorfladen sechsgeschlossene Supermärkte gegenüberstehen.
Die SPD-Landtagsfraktion will deshalb ein Maßnahmenbündel auf den Weg bringen, um die Rahmenbedingungen für die Gründung von Dorf- und Stadtteilläden zu verbessern und dadurch zu erleichtern. Müller warnt: „Jede vierte bayerische Kommune hat keinen Supermarkt mehr und was macht die Staatsregierung? Sie gibt ein Handbuch zur Gründung von Dorfläden heraus. Das ist viel zu wenig. Wenn wir nichts gegen das Ladensterben tun, werden noch mehr Läden schließen. Der Markt regelt eben nicht alles.“