Bogen

Viele Wege führen zur Kontinenz

(ra) Ein zu Unrecht als Tabu gebrandmarktes Thema, die Inkontinenz, moderierte der Fördervereinsvorsitzende der Klinik Bogen Wilhelm Lindinger beim Gesundheitsabend am Donnerstag im Kulturforum Oberalteich an. Chefarzt Dr. med. Torsten Brückner war als Referent mit dabei. Stellvertretende Landrätin Martha Altweck-Glöbl hob die Bedeutung der wohnortnahen Krankenhausversorgung hervor, die dem Landkreis viel wert ist.

Von Links im Bild: Wilhelm Lindinger, 1. Vorsitzender der Freunde und Förderer der Klinik Bogen e. V., die Stellvertretende Landrätin Martha Altweck-Glöbl, Chefarzt Dr. med. Torsten Brückner und Fritz Bittner, 3. Bürgermeister der Stadt Bogen – Foto: Klinik Bogen/Elisabeth Landinger

Ob Kino, Oper oder Stammtisch – Stuhlinkontinenz macht den betroffenen sechs bis acht Prozent der Bevölkerung vieles unmöglich und führt unbehandelt zum sozialen Rückzug. Dass dies dank vielfältiger und bewährter Therapiemöglichkeiten nicht sein muss, vermittelte Chefarzt Dr. med. Torsten Brückner. Er leitet als Chirurg, Viszeralchirurg und Proktologe die Abteilung für Allgemein-, Viszeral- und minimal invasive Chirurgie der Klinik Bogen und ist zugleich Ärztlicher Leiter des MVZ MINAVIS Bogen im FachArztZentrum Bogen. Zum Auftakt veranschaulichte er den Aufbau des muskulären Beckenbodens. Dieser umschließt Organe und sorgt mithilfe seiner starken nervlichen Vernetzung für Dichtigkeit.

Hohe Kaiserschnittrate aus proktologischer Sicht positiv

Die Ursachen für Stuhlinkontinenz sind vielfältig. Während viele Durchfallerkrankungen nur vorübergehend die Kontinenz beeinträchtigen, ziehen manche Krebs-Operationen dauerhafte Beeinträchtigungen nach sich. Hinzu kommen Senkungsprobleme vor allem im Alter bis hin zu Schließmuskelschäden. Diese führen hauptsächlich nach komplizierten Geburten mit Rissen und Narbenbildung zu nachlassender Kontinenzleistung im Alter. Die vielbeklagte hohe Kaiserschnittrate habe laut Dr. Brückner aus proktologischer Sicht also durchaus auch ihr Gutes. Weitere Ursachen für Inkontinenz sind Gefühlsstörungen infolge von Wirbelsäulen-Operationen oder Medikamenten, sowie Kombinationen verschiedener Faktoren. „Inkontinenztherapie ist immer ursachenbezogen“, schilderte der Chefarzt.

Vieles lässt sich über Verhaltensumstellung beeinflussen, indem man Lebensmittel weglässt, die Durchfall verursachen, und sich stattdessen ballaststoffreich ernährt und viel trinkt. Neben ausreichend Schlaf und Zeit für den Stuhlgang wirken sich auch Spaziergänge positiv auf den Darm aus. Die physiotherapeutisch vermittelte Beckenbodengymnastik kann eigenständig zu Hause fortgeführt werden. Biofeedbackgeräte helfen bei der Erfolgskontrolle. Betroffenen steht zudem eine Bandbreite gut verträglicher Medikamente zur Verfügung: Zinksalbe als Hautschutz, Flohsamenschalen oder Loperamid/Immodium gegen Reisedurchfall. Speziellere Wirkstoffe wie Cortison kommen gegen ursächliche Grunderkrankungen zum Einsatz.

Patientenkontrollierte Schnittstelle Mensch-Maschine

Im zweiten Vortragsteil stellte Dr. Brückner das OP-Verfahren der Sakralnervenstimulation im Beckenboden vor. Sakralnerven gehen aus dem Rückenmarks ab und treten im Bereich des Steißbeins (lat. Os sacrum) aus. Ist der für die Kontinenz verantwortliche Nerv intakt, lässt er sich mit Elektroden stimulieren, was den Schließmuskeltonus erhöht und Kontinenz wiederherstellt. Der Eingriff ist minimal invasiv und komplikationsarm, da die Elektroden 20cm vom keimbesiedelten Schließmuskelgebiet entfernt implantiert werden. Zunächst tragen die Patienten das Schrittmacheraggregat dazu einige Wochen zur Teststimulation am Gürtel, dann erst wird ein münzgroßes Aggregat mit über 10-jähriger Batterielebensdauer unter der Haut implantiert.

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Die Einstellung der Amplitudenstärke erfolgt über die Patienten-App auf dem Smartphone. „Trotz Dauerstimulation merkt man die Reizung nicht, auch keine Missempfindung, wenn alles richtig eingestellt ist“, beschrieb Dr. Brückner. Die Technik werde immer kleiner, ausgefeilter und langlebiger, ihre derzeit neu erforschten Anwendungsgebiete immer vielseitiger, zum Beispiel auch beim Magenschließmuskel zur Refluxbehandlung.