18. April 2025
GesundheitSeniorenStraubing

Pflegebedürftigkeit wird seit 2017 neu definiert

(ii) Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) informierte am Dienstag im Café Fratelli in Straubing über das Pflegereformgesetz II, das zum Jahresbeginn in Kraft getreten ist. In dem umfassenden Vortrag der Referenten Michael Wittmann, Abteilungsleiter für Senioren und Soziales bei der AWO, und Irene Ilgmeier wurde schnell deutlich, um welch ein komplexes Thema es sich bei diesem Pflegereformgesetz handelt. Ein Gesetz, das schon lange überfällig war und das überwiegend positiv zu bewerten ist.

Rund 70 Besucher hörten mit großem Interesse, dass mit dieser Reform Abschied genommen wird vom „Hilfebedarf nach Minuten“. Stattdessen wird nunmehr gefragt: „Was kann der pflegebedürftige Mensch selbst bewerkstelligen und wobei braucht er Hilfe und Unterstützung im Alltag?“

Statt der bisherigen drei Pflegestufen gibt es jetzt fünf Pflegegrade. Die für die Einstufung notwendige Begutachtung wird wie bisher von Gutachtern des medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) vorgenommen. „Die Bewertungskriterien haben sich aber völlig verändert. Künftig werden die Aktivitäten und Fähigkeiten des pflegebedürftigen Menschen in allen Lebensbereichen betrachtet. Die bisherige, viel zu enge körperbezogene Sicht und die Minutenzählerei gehören dann der Vergangenheit an“, so Irene Ilgmeier.

Anhand einiger Beispiele stellten die Referenten anschaulich dar, wie die Begutachtung künftig ablaufen wird, wie die einzelnen Bereiche gewichtet werden und wie sich die Punkte ermitteln, die dann zur Einstufung in einen bestimmten Pflegegrad führen.

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Über die Feststellung des Bedarfs an Hilfe hinaus wird geschaut, welche Möglichkeiten gibt es, die körperlichen, geistigen und psychischen Fähigkeiten und die Selbständigkeit zu erhalten oder zu stärken? Menschen werden also sehr viel umfassender betrachtet. Dazu wurden die Möglichkeiten der Prävention und Rehabilitation deutlich ausgeweitet.

Demenzerkrankungen werden wesentlich höher gewichtet, als bisher. Der Fachbegriff dafür lautet: Eingeschränkte Alltagskompetenz (eA). Die Gutachter erheben den Grad der Selbständigkeit in sechs Bereichen und ermitteln unter Anwendung eines gesetzlich vorgegebenen Punkte- und Gewichtungssystems den Pflegegrad. Dabei wird sehr stark berücksichtigt, ob eine eA vorliegt oder nicht. Es gibt jeden Pflegegrad mit und ohne ‚eA‘. Somit sind die finanziellen Leistungen in den einzelnen Pflegegraden mit eA jeweils höher, als ohne eA. Insgesamt werden die finanziellen Leistungen deutlich erhöht, insbesondere bei der Sachleistung (z.B. für den ambulanten Pflegedienst) und dem Pflegegeld.

Deutlich wiesen die.Referenten auf die Möglichkeit der Kombi-Pflege hin. Hier nimmt ein Pflegedienst dem pflegenden Angehörigen einen Teil der Last ab und den Rest übernimmt der Angehörige. Entsprechend wird der Pflegedienst aus der Sachleistung bezahlt und der Angehörige erhält weiterhin einen prozentualen Anteil des Pflegegeldes.

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Im stationären Bereich zahlen jetzt alle Pflegegrade den gleichen privaten Anteil. Dabei gilt auch hier die Besitzstandswahrung. Wer schon vor dem 31.12.2016 in einem Altenheim war, muss nicht mehr bezahlen als bisher.Mit aktuellen Beispielen aus der Praxis machte Michael Wittmann deutlich, welche Leistungen der ambulanten Pflege aus den Sachleistungen finanziert werden können und wie sich der Eigenanteil im stationären Bereich darstellt.

Menschen, die bereits eine Pflegestufe haben, wurden autmatisch in das neue System übergeleitet, niemand musste dazu einen Antrag stellen. Hier gilt die „Besitzstandswahrung“, d.h. niemand wurde finanziell schlechter gestellt, als bisher. Für Pflegebedürftige mit eingeschränkter Alltagskompetenz (eA) sollte aber eine neue Begutachtung beantragt werden, da die eA bei der bisherigen Einstufung ja noch nicht ausreichend berücksichtigt wurde. Alle Neu-Anträge werden seit 01.01.2017 nach dem neuen System begutachtet.

Besonders eindringlich wies Irene Ilgmeier darauf hin, dass sich Pflegende Angehörige bei der Pflegekasse anmelden sollen. Denn bereits ab einer Pflegezeit von wöchentlich 10 Stunden, verteilt auf mindestens 2 Tage zahlt die Pflegekasse Rentenbeiträge für die Betroffenen. Das kann für den späteren Rentenanspruch von großer Bedeutung sein.

Auch auf die Verhinderungs- oder Tag- und Nachtpflege gingen die Referenten ein. Ob der vielen unterschiedlichen Möglichkeiten forderte Michael Wittmann nachdrücklich dazu, sich beraten zu lassen, wenn Pflege beantragt werden soll. Auch, wenn bereits in häuslicher Pflege gepflegt wird, sollte man sich unbedingt  über die verschiedenen Möglichkeiten der häuslichen Pflege beraten lassen. Dies sei bei der Pflegeberatung, aber auch den ambulanten Diensten möglich. AWO-Ortsvorsitzende Christa Brunner ergänzte, auch im sozialen Rathaus würden die Betroffenen eine sehr kompetente Beratung erhalten.