(ra). Der Moment, in dem der Zahnarzt bei der Routinekontrolle des Kindes murmelt: „Da müssen wir wohl mal zum Kieferorthopäden“, löst bei vielen Eltern gemischte Gefühle aus. Einerseits möchte man natürlich, dass der Nachwuchs mit einem strahlenden, geraden Lächeln durchs Leben geht und keine gesundheitlichen Probleme beim Kauen bekommt. Andererseits schwingt sofort die Sorge vor den Kosten mit. Eine Zahnspange kann schnell so viel kosten wie ein gebrauchtes Auto.

Der Besuch beim Zahnarzt wird meist nicht nur aus finanzieller Sicht gefürchtet – Foto: pixabay/Rubenjob

Wer eine passende Zusatzversicherung sucht oder verstehen will, was die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) eigentlich leistet, muss sich durch einen Dschungel aus Abkürzungen, Indikationsgruppen und Kostenplänen kämpfen. Dieser Artikel bringt Licht ins Dunkel.

Das echte Problem: Die KIG-Einstufung

Ob die gesetzliche Krankenkasse zahlt, hängt in Deutschland nicht vom subjektiven Leidensdruck ab, sondern von einem strikten Katalog: den sogenannten Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG). Der Kieferorthopäde vermisst das Gebiss und teilt die Fehlstellung in einen Schweregrad von 1 bis 5 ein.

  • KIG 1 und 2: Hierbei handelt es sich um leichte Fehlstellungen oder solche, die primär als „kosmetisches Problem“ angesehen werden. Ein Beispiel wäre ein leicht schiefer Schneidezahn, der die Funktion nicht beeinträchtigt.

    • Wer zahlt? In diesen Fällen zahlt die GKV nichts. Die Eltern müssen die gesamte Behandlung privat bezahlen, es sei denn, es besteht eine private Zusatzversicherung, die auch bei niedrigen KIG-Stufen greift.

  • KIG 3, 4 und 5: Hier liegt eine ausgeprägte Fehlstellung vor, die medizinisch behandelt werden muss, um Folgeschäden (wie Kiefergelenksprobleme, vorzeitigen Zahnausfall oder Probleme beim Kauen/Atmen) zu verhindern.

    • Wer zahlt? Hier übernimmt die GKV die Kosten für die sogenannte „Regelversorgung“.

Zur Information: Alleine in Deutschland haben rund zwei Drittel aller Kinder eine Zahnspange. Ob die wirklich immer notwendig ist, lässt sich nur mutmaßen.

Das 80/20-Prinzip und die Vorleistung

Selbst wenn das Kind in KIG 3 oder höher eingestuft wird, müssen Eltern zunächst das Portemonnaie öffnen. Die Krankenkasse übernimmt zunächst nur einen Teil, also 80 Prozent der Kosten für die genehmigten Leistungen. Die restlichen 20 Prozent zahlen die Eltern quartalsweise als Eigenanteil an die Praxis.

Dieser Eigenanteil ist jedoch nicht verloren. Sobald die Behandlung erfolgreich abgeschlossen ist (was oft 3 bis 4 Jahre dauern kann), stellt der Kieferorthopäde eine Bescheinigung aus. Mit dieser erhalten die Eltern die gezahlten 20 Prozent von der Kasse zurückerstattet. Bei einem zweiten Kind in kieferorthopädischer Behandlung steigt der sofortige Übernahmeanteil der Kasse übrigens auf 90 Prozent.

Die Lücke zwischen „ausreichend“ und „optimal“

Hier liegt der Knackpunkt für alle, die über eine Zusatzversicherung nachdenken: Die Kasse zahlt nur das, was „ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich“ ist. In der modernen Kieferorthopädie ist das oft die einfache Metallbrackets-Spange mit Standard-Stahlbögen.

Möchte man jedoch Leistungen, die den Tragekomfort erhöhen, die Behandlungszeit verkürzen oder die Zahnpflege erleichtern, muss man sogenannte „außervertragliche Leistungen“ (AVL) selbst bezahlen. Dazu gehören:

  • Thermoelastische Bögen: Diese Drähte geben die Kraft gleichmäßiger und sanfter ab als starre Stahlbögen, was weniger Schmerzen verursacht.

  • Mini-Brackets oder Keramik-Brackets: Sie sind kleiner, unauffälliger und oft leichter zu reinigen als die Standard-Metallklötze.

  • Glattflächenversiegelung: Ein Schutzlack um die Brackets herum, der den Zahnschmelz vor Kariesbakterien schützt.

  • Retainer: Ein fest eingeklebter Draht hinter den Frontzähnen, der nach der Spangenzeit verhindert, dass sich die Zähne wieder verschieben. Die Kasse zahlt meist nur herausnehmbare Haltespangen, die oft vergessen werden.

Diese Zusatzleistungen können sich schnell auf 1.000 bis 2.000 Euro summieren, Kosten, die trotz KIG-3-Einstufung privat getragen werden müssen, wenn keine Zusatzpolice besteht.

Ein Blick hinter die Kulissen der Abrechnung

Die Komplexität des Systems belastet nicht nur die Patienten, sondern auch die Arztpraxen. Wenn Eltern Privatrechnungen für Zusatzleistungen erhalten, liegt dem oft ein hoher bürokratischer Aufwand zugrunde. Ärzte müssen genau trennen, was über die Chipkarte abgerechnet wird und was privat in Rechnung gestellt werden muss.

Damit hier keine Fehler passieren und die Liquidität der Praxis gesichert ist, nutzen viele Mediziner spezialisierte Dienstleister. Für den Laien mag das unsichtbar sein, aber die professionelle Abrechnung KFO spezifischer Leistungen ist ein wichtiger Baustein im Gesundheitswesen, der sicherstellt, dass Rechnungen korrekt erstellt werden und Patienten ihre Belege transparent erhalten, was wiederum wichtig ist, um diese bei einer privaten Zusatzversicherung einzureichen.

Sonderfall Erwachsene: Wenn es später nötig wird

Für Erwachsene (ab dem 18. Lebensjahr) ist die Situation deutlich strenger. Die gesetzliche Krankenkasse zahlt hier fast nie. Schiefe Zähne bei Erwachsenen zu korrigieren, gilt als Privatvergnügen.

Die einzige Ausnahme: Es liegt eine schwere Kieferanomalie vor, die kombiniert kieferchirurgisch-kieferorthopädisch behandelt werden muss. Das bedeutet, es ist eine Operation am Kieferknochen notwendig. Nur dann beteiligt sich die Kasse. Für alle anderen Erwachsenen ist eine gute Zahnzusatzversicherung, die Kieferorthopädie einschließt (und oft Wartezeiten beinhaltet!), die einzige Möglichkeit, Kosten abzufedern.

Worauf bei der Versicherungswahl zu achten ist

Wer sich gegen die hohen Eigenkosten absichern will, sollte bei der Wahl der Police genau hinsehen. Die gesetzliche Kasse bietet zwar eine solide Basisversorgung für schwere Fälle, lässt aber Lücken bei Ästhetik, Komfort und leichteren Fehlstellungen. Eltern sollten frühzeitig, am besten im Kindergartenalter, bevor die erste Diagnose im Raum steht, prüfen, ob eine Zusatzversicherung für ihre Situation sinnvoll ist.