4. Mai 2025
Landkreis Straubing-BogenRegion Straubing

Englmarer Rauhnacht – Ein Blick hinter die Kulissen des Publikumsmagneten

(ra) „Bergdorf beeeeeeeeeeebt!“ so wird es wieder hallen, wenn Andi Aichinger, der Rauhnachts-Moderator die Stimmung beim großen Winterspektakel „zwischen den Jahren“ in Sankt Englmar anheizt. Doch bis es wie jedes Jahr am 28. Dezember um 17 Uhr losgeht bei der großen Rauhnachtsparty am Englmarer Kirchplatz ist einiges an Vorarbeiten notwendig.


Bereits Ende September trifft sich das Organisationsteam, etwa zehn Mitglieder des Wintersportvereins Sankt Englmar, der zusammen mit der Gemeinde als Veranstalter fungiert, zur ersten Vorbesprechung. Man hält noch einmal Rückschau auf die letzte Rauhnacht und diskutiert über den groben Ablauf, geplante Neuerungen in den Bereichen Programm oder Essen & Trinken und sammelt in geselliger Runde neue Ideen für die nächste Rauhnacht. Denn etwas Neues will man eigentlich jedes Jahr bieten. Hausaufgabe für die Beteiligten bis zur nächsten Sitzung ist die Prüfung der Umsetzbarkeit…So gibt es meist fünf Treffen in großer Runde, bei denen v.a. „die Liste“ nicht fehlen darf: Sie beinhaltet alles, was rund um die Rauhnacht wann von wem erledigt werden muss. Ca. 250 Positionen stehen auf dem Arbeitsplan: vom Einkauf des Senfs für die Rauhnachtswurscht über die Einholung diverser Genehmigungen, die Helfer-Akquise bis zum „Marketing-Mix“ ist alles klar geregelt.

Foto: Tourist-Information Sankt Englmar

„Aber eigentlich bin ich überrascht, wie viel von selbst funktioniert. Weil das Kernteam schon einige Jahre zusammenarbeitet, weiß jeder, was er zu tun hat – man spürt die Routine. Und das macht die Englmarer Rauhnacht quasi unkopierbar!“ freut sich Wolfgang Six, WSV-Vorsitzender und somit Organisations-Chef.

Foto: Tourist-Information Sankt Englmar

Etwa zeitgleich zum Organisationsteam starten die Rauhwuggerl, also die Hauptdarsteller bei der Rauhnacht, die Vorbereitungen für ihren großen Tag. Die Masken und Gewänder werden überprüft, und wenn notwendig repariert. Denn der Job des Rauhwuggerls ist hart: Nicht selten muss er auf seinem Zug durch die Wirtsstuben und beim Lauf durch die Menschenmenge bei der Rauhnacht „Federn lassen“. Und natürlich ist es den rauhen Gesellen eine Freude, ihre Masken und Kostüme wieder aufzupolieren und mit neu erworbenen Accessoires auf Vordermann zu bringen: So mancher Rauhwuggerl legt dabei eine wahre Putzsucht an den Tag.

Waren es bei der ersten Rauhnacht 1996 gerade einmal zehn Rauhwuggerl, so haben sich mittlerweile 15 wilde Gesellen und acht Hexen zusammengefunden. Der jüngste Rauhwuggerl ist heuer 18 Jahre und der älteste 36 Jahre, wobei in den letzten Jahren auch durchaus ältere Darsteller mit von der Partie waren. Es gibt also keine Altersgrenze nach oben, nach unten aber sehr wohl: Jünger als 18 Jahre sollte keiner sein. Eine Ausnahme wird gemacht, wenn schon ein älterer Bruder bei der Truppe ist, dann darf auch ein 17-jähriger ins Rauhwuggerl-Kostüm schlüpfen – oder aber zuerst einmal in das der „Haberngoaß“. Denn ein ungeschriebenes Gesetz bei den Englmarer Rauhwuggerln ist es, dass immer der letzte „Neuling“ den Part der Haberngoaß übernehmen muss.

Foto: Tourist-Information Sankt Englmar

Doch auch das Haberngoaß-Kostüm hat einen Vorteil: Es ist sehr leicht und kostet – außer der Arbeit, die es macht– nichts. Das Strohgewand besteht aus alten Postsäcken und darauf aufgenähtem langem Haferstroh. Das Gewand und die einfache Holzmaske wiegen in Summe etwa fünf Kilo, eine schwere Holzmaske in Kombination mit einem echten Ziegenfell und großen Glocken hingegen kann gut und gerne um die 20 Kilo auf die Waage bringen. Entsprechend kräfteraubend wird auch die Rauhnacht, in der die Rauhwuggerl eine erhebliche Strecke durch das ganze Dorf zurücklegen.

Um Sinn und Zweck der Maskierung zu verstehen, muss man etwas in die Vergangenheit blicken: Die Menschen in früheren Zeiten hatten großen Respekt vor der kalten Jahreszeit, in der Kälte, Finsternis und oft auch starke Winterstürme herrschten. Speziell zwischen Weihnachten und Sylvester, zur Zeit der kürzesten Tage und längsten Nächte des Jahres, haben sich die Rauhwuggerl aufgemacht, die um die Jahreswende tobenden bösen Geister, das Schlechte des alten Jahres und die Wesen aus der Anderwelt, die sich in den Rauhnächten unter die Lebenden mischten, zu vertreiben. Um die eigene Angst zu bewältigen und den Geistern im Gegenzug einen gehörigen Schrecken einzujagen, braucht ein Rauhwuggerl eine furchterregende Maske, ein gruseliges Gewand und vor allem Dinge, die einen höllischen Lärm verursachen, eben große Glocken oder Schellen, Stöcke und Ketten.

Foto: Tourist-Information Sankt Englmar

„Insgesamt kann dabei aber jeder Darsteller selbst seine eigenen Ideen sprudeln lassen und deshalb sind unsere Masken und Kostüme auch so vielfältig.“, erklärt der langjährige Rauhwuggerl-Chef Robert Piermeier. Der Kreativität der wilden Gesellen sind (fast) keine Grenzen gesetzt und so trifft man auf die unterschiedlichsten Varianten und Kombinationen von Masken, Fellen und übrigen Ausrüstungsgegenständen, wie Glocken, Stöcken, Ketten, etc.

Foto: Haas

Eines jedoch haben die meisten Masken gemeinsam: Sie werden vom Englmarer „Rauhnachts-Erfinder“ Sepp Piermeier geschnitzt und von dessen Bruder Hans Piermeier bemalt. „Beide machen das aus Leidenschaft und stellen uns die Masken Gott sei Dank kostenlos zur Verfügung.“, so Robert Piermeier. Einige Darsteller haben sich selber Masken besorgt und oft einige hundert Euro dafür bezahlt. Auch die „Accessoires“, wie Glocken, Stöcke, Pferdeschwänze, Schuhe, lassen sich viele der Darsteller einiges kosten. Daher gibt es auch beim Preis für eine Rauhwuggerl-Maske kaum ein Limit.

„Ich kann nur sagen, dass es jedes Jahr wieder schön ist zu sehen, wie jeden einzelnen Darsteller das Fieber der Rauhnacht packt, je näher unsere Veranstaltung rückt. Jede Rauhnacht hat immer wieder magische Momente, sowohl für die Darsteller als auch für die Zuschauer.“ fasst Robert Piermeier die „Faszination Rauhnacht“ zusammen.

Begleitet werden die Rauhwuggerl von schaurigen Gestalten, wie dem Bluadigen Dammerl und der Lucia, die in früheren Zeiten Eltern einer großen Kinderschar oft als „Erziehungshilfen“ dienten.

Mit dabei in diesem Reigen ist auch die “Drud“. Die Drud ist in vielen bayerischen Regionen und im Alpenraum fest im Volksglauben verwurzelt. Der Erzählung nach ist sie eine große, dicke, alte und hässliche Frau, die sich nachts auf die Brust ihres schlafenden Opfers setzt und diesem die Luft abdrückt. Die „befallenen“ Menschen berichten von Atemnot, Schweißausbrüchen und gruseligen Alpträumen, kurz gesagt: sie wurden von der „Drud druckt“. Natürlich haben sich die „Heimgesuchten“ allerlei Hilfsmittel zur Abwehr der Drud einfallen lassen. Das eine oder andere wird auch beim Auftritt von diesem „greislign Weibads“ zu sehen sein.

Foto: Haas

Neu in diesem Jahr sind Waldgeister, die den ganzen Abend über immer wieder in ihrer übermenschlichen Größe und mit ihren faszinierenden Baumgesichtern zwischen den Zuschauern auftauchen werden. Die Masken stammen – wie könnte es anders sein – aus der Werkstatt von Sepp Piermeier.

Während sich auf der Bühne am Abend der Rauhnacht Tanzgruppen, die Rauhwuggerl und Hexen, die Wolfauslasser aus Sallitz und Sohl und Johanna, die Feuer-Jongleurin abwechseln, herrscht an den Schneebars und Essenshütten Hochbetrieb. Etwa 80 freiwillige Helfer schenken Glühwein, Kinderpunsch und Hot Caipirinha aus, versorgen die Hungrigen mit Würschtln, Gulaschsuppe oder Chili con Carne, stellen die Nachschubversorgung sicher und kümmern sich um die Müllentsorgung.

Foto: Haas

Den Job des Food & Beverage Managers teilen sich Roland Feldmeier, zuständig für die Essensbestellungen und der zweite Vorsitzende des Vereins, Robert Bugl, der als Einzelhändler an der Quelle sitzt. Er hat den besten Riecher dafür, was momentan in der Christkindlmarkt-, Schnee- und Schirmbarszene “in” bzw. “out” ist. Heuer sind die Rauhnachtsmacher selbst kreativ geworden und haben zusammen mit ihrem langjährigen Glühweinlieferanten, einem Spiritousenhersteller aus der Region, Drinks exklusiv für die Rauhnacht entworfen: So gibt es ein Hexentrankerl, einen Wildkirsch-Chili-Likör speziell für die weiblichen Besucherinnen und Hochprozentiges aus der Williamsbirne, das Rauhwuggerlschluckerl. Ebenso neu auf der Liste ist die „Haberngoaßhoibe“.

Aber nicht nur das „was?“, sondern v.a. das „wie viel?“ ist zu klären: Wie viele Besucher werden kommen? Wie viel wird konsumiert? “In früheren Jahren wurde man förmlich überrannt. Es ist schon vorgekommen, dass eine bestimmte Hütte um halb neun zumachen musste, weil alles ausverkauft war.“ weiß Roland Feldmeier. Mittlerweile kann man den Bedarf relativ gut abschätzen: Wetter und Wochentag sind mit die wichtigsten Determinanten für den Verbrauch, aber natürlich gibt es Unwägbarkeiten. Was, wenn trotz bester Vorhersagen ein plötzlicher Eisregen die Region lahmlegt und sich keiner mehr aus dem Haus wagt? So ist es vor einigen Jahren passiert.

Woraus eine Schneebar bauen, wenn die heißersehnte weiße Pracht noch länger auf sich warten lässt? Darüber brauchen sich die Rauhnachtsmacher heuer keinen Kopf zerbrechen. Damit rund um das Event alles wie am Schnürchen läuft, sind die drei örtlichen Feuerwehren aus Sankt Englmar, Rettenbach und Klinglbach im Einsatz, regeln den Verkehr und sorgen für Sicherheit und einen geregelten Ablauf. Wie jedes Jahr hoffen die Veranstalter, dass die Bergwacht, die den Sanitätsdienst übernimmt, möglichst arbeitslos bleibt.

Mit allen Darstellern und Helfern sind etwa 200  Englmarer beinahe aller Altersgruppen im Einsatz bei dem großen Winterevent. Dies freut auch Bürgermeister Anton Piermeier, der in dieser Veranstaltung einen Beweis für den guten Zusammenhalt und die intakte Dorfgemeinschaft sieht und vor allem das Engagement des Wintersportvereins und aller Beteiligten lobt. „Nur durch den unermüdlichen Einsatz der zahlreichen Helferinnen und Helfer konnte die Rauhnacht ihren Stellenwert und den hohen Bekanntheitsgrad weit über die Grenzen des Landkreises hinaus erreichen.“