Die glorreichen Vier zu Gast in Schmid’s Laden
Ich habe eine furchtbare Angewohnheit. Ich plaudere gerne. Wenn mir jemand ein G‘schichterl erzählt und dann sagt: „Aber sag’s ja nicht weiter!“ Dann sage ich: „Ja, ja, versteht sich, natürlich!“ Kurz darauf juckt es mich so in den Fingern – und ich erzähle es doch jemandem! Also passen S‘ auf: Ich war am Freitagabend in Schmid’s Laden in Geisenhausen.
Es ist 20 Uhr. Ich sitze erwartungsvoll auf meinem Platz. Es wird 20.03. – „Jetzt werden s‘ bald anfangen!“ 20.05. – „Wenn s‘ jetzt nicht bald anfangen, krieg‘ ich nachher beim Peppone keine Pizza mehr!“ – Da kommt Christoph Schmid auf die Bühne: „Keine Angst, meine Damen und Herren, wir beginnen sofort. Einer unserer Gäste ist noch drüben beim Peppone; wenn Sie nichts dagegen haben, warten wir noch etwas. Sie sehen, jedes Schäfchen ist uns wichtig!“ Natürlich ist die Begleiterin des vermissten Herrn schon längst auf der Suche nach ihm…
Der Herr kommt. Die Vorstellung kann beginnen und – ich habe meine Pizza bekommen. Aber es geht um etwas anderes: Wer hätte das gedacht. Haben Sie schon einmal erlebt, dass das irgendwo anders passiert? Dass man auf einen Gast wartet? Nein! Aber auch das zeichnet Schmid’s Laden aus. Man kümmert sich um jeden einzelnen Gast. So freundlich wie der Gastgeber sind auch die vier Herren, die dann auf die Bühne kommen: Richard Köll, Stefan Amannsberger, Michael Ross und Martin Thalhammer. Aber, was soll ich sagen. Es ist einfach gut. Gut, wie die Herren zusammenpassen, zusammenspielen, sich verstehen. Kein Wunder, sie spielen ja schon ewig zusammen.
Und dabei erfinden sie sich zum Teil immer wieder ein bisschen neu. Aber keine Angst, es ist immer noch das, was Sie kennen, schätzen, lieben. Wie bei einem Krimi von Donna Leon, oder, wenn Sie es wünschen, Agatha Christie. Wir kennen und lieben die Form, die immer gleich ist, aber die Geschichte ist doch immer einer andere. Und genauso hier: Richard Kölls augenzwinkernde Moderationen gehören einfach dazu. Sie bewahren mich davor, dass ich durch zu viel Musik, wie es oft so ist, ersäuft werde – mehr bekomme, als ich eigentlich will, als ich aufnehmen kann. Und: Sie leiten auch noch über zum nächsten Stück, das oft eine ganz eigene Geschichte hat: Zum Beispiel die, von der Essigrosendickfühlerweichwanze.
Aber dieser Titel spielt eigentlich keine Rolle, die Stücke würden auch ohne den Titel funktionieren und man hat fast den Eindruck, die Titel gibt es nur, um die lustigen Moderationen überhaupt möglich zu machen. Eins noch: Wenn die Herren im Quartett spielen und Michael Thalhammer (Bass) Stefan Amannsberger (Gitarre) von der Pflicht immer das harmonische Fundament und die Bewegung zu liefern entlastet, dann kann Stefan Amannsberger viel befreiter aufspielen. Und das gibt dem harmonischen Teppich, den beide ausbreiten, noch viel interessantere Muster.
Auf diesem Teppich spaziert, leichtfüßig Michael Ross (Querflöte). Er liefert die Virtuosität. Er ist der Instrumentalist in dieser Gruppe, den man wegen seiner Fähigkeiten bestaunt. Und das gehört zum Jazz unbedingt dazu. Und das macht den im Kontrast dazu stehenden lyrischen Stil von Richard Köll noch sympathischer. Alle vier ergänzen sich mit ihren Stärken. Besser geht’s nicht!
Richard Kölls Kompositionen verbinden oft scheinbar Gegensätzliches. Ein Beispiel: In „Der Vintagerich“ steht eine leicht verdrehte Gavotte neben Swing. Das funktioniert, weil beides Tanzformen sind, die ähnliche Bewegungsmuster haben. Aber 1+1 (Barock + Swing), das ist noch kein Stück. Erst durch den Ruhepol in der Mitte entsteht es, der nicht auf Bewegung setzt, sondern auf harmonische Spannung und Entspannung – ohne Bewegung, ohne Tempo; fast meditativ. Man hofft, dieser Mittelteil möge nie enden, aber: dann geht es wieder von vorne los, bloß in der umgekehrten Reihenfolge. Das Prinzip im Konzert durch Abwechslung – Moderationen – das Publikum nicht zu überfahren, überfluten ist auch in den Stücken Richard Kölls wirksam – bloß in der Musik selbst. Deshalb passt Richard Köll so gut zu Schmid’s Laden. Denn Christoph Schmid verfolgt ein ähnliches Konzept im Bereich der Klassischen Musik.
Wer die beiden weiteren Termine der „glorreichen Vier“ nicht verpassen möchte – und das rate ich Ihnen nicht – der hat noch am Freitag,18. März um 20 Uhr und am Sonntag, 26. März um 17 Uhr die Gelegenheit. Ach ja! Eine neue CD gibt es auch noch! Zu kaufen – auch signiert – bei den Vorstellungen.
Christoph Goldstein