18. April 2025
Landkreis Straubing-BogenSenioren

25 Jahre Betreuungsgesetz: Interview mit Johann Schedlbauer vom Landratsamt

(ra) 2017 ist das Betreuungsgesetz 25 Jahre in Kraft. Durch die Neuregelungen des Gesetzes im Jahr 1992 wurden die bis dahin geltenden Vorschriften über Vormundschaft und Pflegschaft für Volljährige abgelöst. Die neuen Vorschriften stärken die Grundrechte von alten Menschen und Menschen mit Behinderung ungemein. So wurde zum Beispiel die bis dahin mögliche Entmündigung abgeschafft.

Johann Schedlbauer – Foto: Landratsamt Straubing-Bogen

Derzeit stehen in Deutschland knapp 1,3 Millionen Menschen wegen körperlicher, geistiger, seelischer oder psychischer Erkrankungen unter rechtlicher Betreuung. In Bayern sind es 183.000 Personen. Die Zahlen sind leicht rückläufig. Ein Grund hierfür liegt in den mittlerweile zahlreich in Anspruch genommenen Vorsorgemöglichkeiten.

Ziel des Betreuungsrechts ist die Sicherung und Verwirklichung  der weitestgehenden Selbstbestimmung von hilfebedürftigen Personen. Durch intensive persönliche Betreuung erhalten diese Hilfe und Unterstützung bei der Regelung ihrer rechtlichen Angelegenheiten.

Johann Schedlbauer, Sachgebietsleiter Betreuung, Heimaufsicht, Senioren am Landratsamt Straubing-Bogen, hat die Entwicklung im Betreuungsrecht in den letzten 25 Jahren hautnah miterlebt und begleitet. Im Interview mit Tobias Welk spricht er über seine Erfahrungen.

Herr Schedlbauer, wie kam es 1992 überhaupt zu dieser Veränderung?

Johann Schedlbauer: „Die alten Vorschriften zur Gebrechlichkeitspflegschaft und Vormundschaft für Erwachsene stammten noch aus der Entstehungszeit des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Ende des 19. Jahrhunderts und hatten sich seit dieser Zeit nur unwesentlich verändert. Die betroffenen hilfebedürftigen Menschen waren vielfach entmündigt und quasi Minderjährigen ohne bürgerliche Rechte gleichgestellt. Die meisten Vormundschaften und Gebrechlichkeitspflegschaften wurden von Rechtsanwälten oder den Behörden, meist Jugendämter, geführt und mehr oder weniger anonym vom Schreibtisch aus verwaltet. Diese Zustände waren einfach nicht mehr haltbar und so kam es nach vielen Jahren langer Diskussionen im Jahr 1992 endlich zu den längst überfälligen Neuregelungen.“

Würden Sie sagen, dass die Ziele, die man ab 1992 umsetzen wollte, auch erreicht wurden?

Schedlbauer: „Natürlich ist eine solche umfassende Reform mit solch grundsätzlichen strukturellen Änderungen mit Kinderkrankheiten und Startschwierigkeiten verbunden. Aber im Grundsatz wurde der Paradigmenwechsel hin zu weitestgehender Selbstbestimmung und Stärkung der Grundrechte alter und hilfebedürftiger Menschen durchaus erreicht. Trotzdem gibt es immer auch noch Entwicklungspotential. So beklagen einige Betroffenenverbände beispielsweise, dass das bestehende Betreuungsrecht in manchen Teilen noch nicht den Forderungen der UN-Behindertenrechtskonvention entspricht, die seit dem 26.3.2009 in Deutschland in Kraft ist.“

25 Jahre sind ein langer Zeitraum. Sicher hat sich das Betreuungsrecht auch in diesem Rahmen noch weiter verändert…

Schedlbauer: „Über die Jahre gab es immer wieder kleinere Anpassungen und Veränderungen, denn auch die Gesellschaft verändert sich stetig. Größere Änderungen gab es aber im Bereich der Vorsorge und bei den Vergütungsregelungen für sogenannte freiberufliche Betreuer. Der Bereich der persönlichen und rechtlichen Vorsorge für Zeiten einer geistigen, psychischen oder körperlichen Gebrechlichkeit im Alter, bei Krankheit oder nach Unfall wurde über die Jahre ausgebaut und gestärkt. So ist eine Vorsorgevollmacht heute ein anerkanntes Rechtsinstrument zur Vermeidung einer durch das Amtsgericht eingerichteten rechtlichen Betreuung. Und im Jahre 2009 erfolgte durch das sogenannte Patientenverfügungsgesetz endlich eine Klarstellung dahingehend, dass der auch in der Vergangenheit schriftlich niedergelegte Wille eines Patienten über gewünschte oder nicht mehr gewollte medizinische Behandlungen am Lebensende in jedem Fall zu beachten ist, auch wenn sich der Patient dazu selbst nicht mehr äußern kann.“

Für den Fall der Fälle ist eine Vorsorge-Vollmacht sicher ratsam. Was empfehlen Sie den Bürgern und wie kann man am besten alles richtig machen?

Schedlbauer: „Bei der Abfassung einer für den persönlichen Einzelfall passenden Vorsorgevollmacht gilt es einiges zu beachten, um nicht am Ende mit einem unbrauchbaren Stück Papier da zu stehen. Viele Fragen stellen sich: Muss eine Vollmacht notariell beurkundet sein oder reicht eine einfache schriftliche Verfügung? Muss ich die Vollmacht jedes Jahr neu unterschreiben? Wo verwahre ich die Vollmacht? Was passiert, wenn die bevollmächtigte Person die Vollmacht nicht ausüben kann oder will? Eine persönliche Beratung in der zuständigen Betreuungsstelle ist hier dringend anzuraten. Natürlich gibt es hier entsprechende Vordrucke z.B. bei der Betreuungsstelle und auch auf der Internetseite des Landkreises. Solche Formulare können aber nur Lösungen für Standardfälle darstellen und ersetzen keinesfalls eine individuelle Beratung. Auf jeden Fall sollte eine Vorsorgevollmacht nur absoluten Vertrauenspersonen erteilt werden. Denn im Gegensatz zu einem gerichtlich bestellten Betreuer, der vom Betreuungsgericht überwacht und überprüft wird, erfolgt bei einem Bevollmächtigten keinerlei Kontrolle.“

Wie hat sich Ihre eigene Arbeit in den 25 Jahren des Betreuungsrechts verändert?

Schedlbauer: „Die Betreuungsstelle war anfangs noch selbst Betreuerin für über 120 betroffene Menschen. Die Betroffenen waren dabei über ganz Bayern verstreut. Dies war aber nicht im Sinne des Betreuungsrechts, das eine persönliche Betreuung mit regelmäßigem Kontakt zur betreuten Person vorsieht. Heute führt die Betreuungsstelle nur noch eine einzige Betreuung und das Tätigkeitsfeld hat sich auf die Unterstützungsarbeiten für das Betreuungsgericht – z.B. Ermittlung des Sachverhalts, Vorschlag geeigneter Betreuungspersonen – und Beratung, Hilfe und Unterstützung der Betreuungspersonen bei der Ausübung ihres Amtes verlagert. Auch die Aufklärung der Bevölkerung über die bestehenden Vorsorgemöglichkeiten nimmt einen breiten Raum der Arbeit ein. Die Fallzahlen sind dabei über die Jahre kontinuierlich angestiegen und haben sich gegenüber 1992 mehr als vervierfacht. So werden im Landkreis Straubing-Bogen von der Betreuungsstelle derzeit jährlich um die 500 Neufälle bearbeitet. Insofern war auch eine Personalmehrung unumgänglich und ich bin seit ein paar Jahren kein Einzelkämpfer mehr.“