Corona-Infektionen bei Wiesenhof führen zu scharfer Kritik aus den Reihen der Landtagsopposition
(ra) Die Landtagsabgeordnete und Tierschutzsprecherin Ruth Müller sowie der Verbaucherschutzexperte Florian von Brunn, MdL (beide SPD) werfen der Staatsregierung im Zusammenhang der mit dem Corona-Virus infizierten Mitarbeiter im Wiesenhof-Schlachthof in Bogen (Landkreis Straubing-Bogen) schwere Versäumnisse vor. Schlachtbetriebe und Erntehöfe dürfen nicht zu Infektionshotspots werden. Wie auch die Landshuter Landtagsabgeordnete Rosi Steinberger (Bündnis90/Die Grünen) fordern Müller und von Brunn: „Bei den bayerischen Schlachthofangestellten müssen sofort flächendeckend Corona-Tests durchgeführt werden.“

Nach dem Bekanntwerden der Infektionsfälle im Wiesenhof-Schlachthof in Bogen übten am Mittwoch die SPD-Abgeordneten Ruth Müller und Florian von Brunn scharfe Kritik an der Staatsregierung: „Seit vier Wochen ist bekannt, dass in Baden-Württemberg ein Erntehelfer an der Krankheit verstorben ist und es dort an einem Schlachthof zu zahlreichen Infektionen gekommen ist. Seither häufen sich die Meldungen über Infektionen an Schlachthöfen aus ganz Deutschland. In Bayern aber wurde bisher überhaupt nichts unternommen. Im Gegenteil: Frau Humls Gesundheitsministerium hat erst am letzten Wochenende gegenüber dem Bayerischen Rundfunk erklärt, Tests seien nicht notwendig, da es kein Ausbruchsgeschehen gäbe. Es zeigt sich jetzt: Das ist nicht nur falsch, sondern auch ein schweres Versäumnis, das Menschenleben gefährdet!“
Müller und von Brunn hatten bereits am Montag zwei Anfragen an die Staatsregierung gestellt, weil sie den Umgang mit dem Problem als fahrlässig empfunden haben. Dabei geht es um Tests an Schlachthöfen und die Kontrolle der Wohnverhältnisse. Die Abgeordneten verlangen jetzt sofortige und umfangreiche Tests im Freistaat, wie auch in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein: “Wir dürfen nicht riskieren, dass Schlachtbetriebe und große Höfe mit Erntehelfern zu Infektionshotspots werden und ganze Regionen gefährden. Deswegen brauchen wir dringend flächendeckende COVID-19-Tests und ein Sonderkontrollprogramm zur Überprüfung des Arbeits- und Gesundheitsschutzes, das auch die Unterbringung der Mitarbeiter im Blick hat. Und zwar zuerst in allen Betrieben, in denen in sehr engem Abstand gearbeitet und die Mitarbeiter in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht sind.“
Die Schlachtbranche steht seit Jahren in der Kritik. Die vorwiegend aus Osteuropa stammenden Beschäftigten werden oftmals unter menschenunwürdigen und unzumutbaren Bedingungen untergebracht, sodass der Schutz ihrer Gesundheit gar nicht möglich ist. „Wir müssen endlich zu einem Umdenken in der Schlachtindustrie und auch bei landwirtschaftlichen Betrieben kommen, die Erntehelfer beschäftigen. Wir brauchen klare Vorgaben, die auch kontrolliert werden. Und wir wollen unverzüglich Auskunft über die aktuelle Lage an den bayerischen Betrieben“, so die SPD-Abgeordneten. „Der enorme Preisdruck und die Geiz-ist-geil-Mentalität in der Fleischbranche müssen beendet werden. Dazu gehört, dass die Praxis von höchst fragwürdigen Werkverträgen mit Subunternehmern und die Auslagerung an billigste Fremdfirmen unterbunden wird!“

„Bei den bayerischen Schlachthofangestellten müssen sofort flächendeckend Corona-Tests durchgeführt werden“, fordert auch Rosi Steinberger, grüne Landtagsabgeordnete aus Landshut und Vorsitzende im Umweltausschuss. „Auch die Gemeinschaftsunterkünfte der Angestellten müssen auf ihre hygienischen Bedingungen im Sinne des Infektionsschutzes überprüft werden“ ergänzt die grüne Abgeordnete.
Angesichts der vermehrten Fälle in der Fleischindustrie in anderen Bundesländern sollte Bayern vorbeugend reagieren und flächendeckend das Personal in Schlachthöfen und der Fleischindustrie auf Corona testen, um ein Ausbruchsgeschehen frühzeitig erkennen und eindämmen zu können. Dabei sind oft nicht die Betriebe an sich sind das Problem, sondern die Unterbringung vieler Angestellter in Sammelunterkünften.
„Die gängige Praxis, dass wichtige Bereiche wie Schlachten und Zerlegen an Subunternehmen ausgegliedert werden, die Menschen damit zu billigsten Löhnen Akkordarbeit leisten und prekär in Gemeinschaftsunterkünften wohnen müssen, ist unserer Gesellschaft nicht würdig“, so Rosi Steinberger. „Die Schlachthöfe in Deutschland sind billiger als die in anderen Ländern und graben ihnen das Wasser ab. Jetzt auf Kosten der Angestellten auf die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Fleischwirtschaft zu pochen ist nur noch zynisch.“
In einer Anfrage an die Staatsregierung will die Abgeordnete nun von dieser wissen, unter welchen Umständen in der Fleischindustrie Corona-Tests durchgeführt werden sollen und ob die Sammelunterkünfte auf die Einhaltung der Infektionsschutzregeln überprüft werden.