(ra) Die Hochschule Landshut richtet eines der ersten Reallabore dieser Art in Europa ein. Im Forschungsprojekt „ReLLFloW“ werden 59 Wohneinheiten eines Studierendenwohnheims zu einem intelligenten Energiesystem umgerüstet. Wie Pressesprecherin Alexandra von Knobloch am Mittwoch berichtete, sei das Projekt am Institute for Data and Process Science der Hochschule angesiedelt und soll zeigen, wie Künstliche Intelligenz künftig das Stromnetz stabilisieren könne.

Wichtiger Meilenstein im Wohnheim erreicht

Alle 59 Studierendenwohnungen wurden inzwischen mit intelligenten Stromspeichern und digitalen Stromzählern ausgestattet. Künstliche Intelligenz soll diese Batterien künftig so steuern, dass sie Lastspitzen reduzieren und zugleich die Energiekosten senken. Für das Forschungsteam bedeutet die nun abgeschlossene technische Ausstattung den Übergang von der Simulation in den realen Betrieb.

„Mit dem Wohnheim verfügen wir über ein reales Testsystem in einer Größenordnung und Konfiguration, das bislang einzigartig ist“, sagt Projektleiterin Maren Martens, die am IDP forscht und an der Fakultät Betriebswirtschaft der Hochschule lehrt. Über mehr als ein Jahr sammelte das Team Daten – vom individuellen Energieverbrauch bis zum Verhalten der Speichersysteme. Diese Daten bilden die Grundlage für das Training der KI.

KI lernt Energiemanagement unter realen Bedingungen

Herzstück des Projekts sind selbstlernende Steuerungsverfahren auf Basis von Reinforcement Learning. Die Algorithmen sollen unter Unsicherheiten Entscheidungen treffen können – etwa wenn Verbrauch oder Wetter nicht exakt vorhersehbar sind. „Die Herausforderung besteht darin, dass diese Verfahren mit Unsicherheiten umgehen müssen“, sagt Ulrich Ludolfinger, leitender Entwickler und wissenschaftlicher Mitarbeiter.

Klassische Optimierungsverfahren verlieren bei realistischen Vorhersagefehlern deutlich an Leistungsfähigkeit. Daher entwickelt das Team robustere Ansätze, die auch unter Schwankungen verlässliche Ergebnisse liefern. Die Forschung stößt bereits international auf Interesse; jüngst präsentierte Ludolfinger das Projekt auf einer Fachkonferenz zu intelligenten Stromnetzen in Malta.

Vom Einzelspeicher zum intelligenten Schwarm

Nachdem im ersten Projektjahr die Steuerung einzelner Batterien im Fokus stand, arbeitet das Team nun an der Koordination des Gesamtsystems. Jede Wohneinheit verfügt künftig über einen eigenen intelligenten Agenten, der mit den anderen Agenten zusammenarbeitet. Ziel ist es, Lastspitzen im Stromnetz zu vermeiden und gleichzeitig die Energiekosten der jeweiligen Wohneinheit zu optimieren.

Ein wichtiger Aspekt ist der Datenschutz. Durch die dezentrale Struktur müssen sensible Verbrauchsdaten nicht zentral gesammelt werden. Jeder Agent entscheidet autonom auf Basis lokaler Informationen.

Nutzen für Energiewende und Netzstabilität

Die Erkenntnisse sollen weit über das Wohnheim hinaus wirken. Die Integration erneuerbarer Energien belastet das Stromnetz zunehmend, und flexible Speichersysteme gelten als zentraler Baustein der Energiewende. „Intelligente Speichersysteme, die flexibel auf Schwankungen reagieren, sind ein wichtiger Baustein der Energiewende“, betont Martens.

Projektpartner NetzFlex bringt technisches Know-how zur Weiterentwicklung der Speichersysteme ein. Die Stadtwerke Landshut unterstützen als Netzbetreiber, während das Studierendenwerk Niederbayern/Oberpfalz das Wohnheim als Reallabor bereitstellt.

Nächster Schritt: Einsatz im Echtbetrieb

Bis zum Projektende im September 2026 steht der operative Einsatz der entwickelten KI-Algorithmen an. „Das ist der Moment der Wahrheit“, sagt Ludolfinger. Dann wird sich zeigen, ob die in Simulationen vielversprechenden Ansätze auch im praktischen Betrieb belastbar sind und zur Netzstabilisierung beitragen.

Die Ergebnisse sollen wissenschaftlich veröffentlicht und für weitere Wohnheime und Mehrfamilienhäuser nutzbar gemacht werden. Martens sieht darin einen wichtigen Schritt: Die Hochschule wolle einen konkreten Beitrag zur intelligenten Energieversorgung der Zukunft leisten – in Bayern und darüber hinaus.