Landkreis Straubing-Bogen

Suttner sieht Familien und Kita-Personal im Dauerstress

(ra) Bei seinem Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung des ÖDP-Kreisverbandes am Mittwoch im Hotel Murrer in Aiterhofen bezeichnete der Bildungsreferent Bernhard Suttner die Familien und die Fachkräfte in den Kitas als Opfer einer rein arbeitsmarktorientierten Familienpolitik: „Seit rund 30 Jahren wird den Eltern eingeredet, dass sie Familie und Vollzeit-Erwerbsarbeit unter einen Hut bringen müssen, weil sonst der Wirtschaft die Arbeitskräfte fehlen.“

Bernhard Suttner

Auch sehr kleine Kinder sollten in die Kita kommen, damit Mütter rasch wieder am Arbeitsplatz außer Haus erscheinen können. Dieser Plan „für eine wachstumsorientierte Familienpolitik“ wurde unter Familienministerin Renate Schmid gemeinsam mit dem Bundesverband der Industrie (BdI) und einem arbeitgebernahen Forschungsinstitut im Jahr 2004 entworfen und wird seitdem Schritt für Schritt umgesetzt. Das ausdrücklich formulierte Ziel hieß damals schon: Die Familienzeit nach der Geburt eines Kindes sollte auf höchsten ein Jahr beschränkt werden. Deshalb gebe es jetzt einen Rechtsanspruch auf öffentliche Betreuung ab dem ersten Lebensjahr.

Leider sei aber nicht für das entsprechende Personal gesorgt worden. „In kaum einem Bereich des öffentlichen Lebens gibt es einen derart gravierenden Personalnotstand wie in der Kinderbetreuung“ sagte Suttner und berief sich dabei nicht nur auf Praxisberichte der betroffenen Fachkräfte, sondern auch auf Zahlen der Bertelsmann-Stiftung: Derzeit fehlen in Deutschland knapp 100.000 Kita-Fachkräfte. Wollte man die wissenschaftlich empfohlenen Qualitätsstandards erfüllen, wären aber 300.000 zusätzliche Erzieherinnen und Erzieher nötig.

Dabei sind laut statistischem Bundesaat derzeit nur 35 Prozent der Kinder unter drei Jahren in einer Kita, informiert der Referent. Man könne deshalb sagen, dass das System nur deshalb noch nicht ganz kollabiere, weil 65 Prozent der Eltern auf den Rechtsanspruch verzichten und die familiäre Betreuung der kleinen Kinder bevorzugen. Dafür nähmen sie Einkommensverluste in Kauf und müssten sich oft auch noch vorhalten lassen, „unmodern zu sein“.

Die ÖDP tritt aus den geschilderten Gründen dafür ein, die familiäre Kinderbetreuung endlich in gleicher Weise zu fördern, wie die Betreuung in öffentlichen Einrichtungen. Die ersten Lebensjahre seien entscheidende Jahre, in denen das Grundvertrauen und die Bindungsfähigkeit zum Nutzen der gesamten Gesellschaft gefördert werden. Für sehr kleine Kinder seien verlässliche Beziehungen zu vertrauten Personen nötig, weshalb die wissenschaftliche Frühpädagogik einen Personalschlüssel von einer Fachkraft auf drei Kinder empfiehlt.

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Der Kindergarten sei für Kinder ab dem dritten Lebensjahr nach Suttners Meinung extrem wichtig, ja unverzichtbar. Für die Ein- und Zweijährigen sollte jedoch die Familie erste Wahl sein und wenn in besonderen Fällen dennoch eine Krippe nötig werde, dann müsse dort ausreichend Fachpersonal beschäftigt sein. Keineswegs könne die Lösung – wie von der Bayerischen Sozialministerin vorgeschlagen – in der Beschäftigung von kurz ausgebildeten Quereinsteigern und in der Vergrößerung von Gruppenstärken bestehen.

Die ÖDP betreibt deshalb derzeit eine Petition an den Bayerischen Landtag für eine Finanzierung der familiären „Sorgearbeit“ in gleicher Höhe wie bei der institutionellen Betreuung üblich: “Dann erhalten alle Eltern die Wahlfreiheit zwischen Eigenbetreuung und institutioneller Betreuung.“ Auch die Kitas würden dadurch entlastet, weil sich mehr Familien für längere familiäre Betreuung entscheiden könnten. „So kämen beide – Eltern und Kita-Fachkräfte – aus dem Hamsterrad des Dauerstresses heraus“ meinte Suttner.