Niederbayerns Liberale schwören sich auf Bundestagswahlkampf ein
(ra) Die niederbayerischen Liberalen haben sich am Sonntag bei ihrem ersten virtuellen Bezirksparteitag auf den Bundestagswahlkampf eingeschworen: „Wir wollen nicht nur zuschauen, wir wollen mitregieren“, betonte der bayerische FDP-Landeschef Daniel Föst in seinem Grußwort. Rund 50 Delegierte und Gäste haben sich am Sonntagnachmittag online an der politischen Antragsbearbeitung beteiligt, das Parteitagsstudio war im Restaurant „Oberhaus“ in Passau stationiert.

Deutschland braucht laut Föst einen neuen Aufbruch. Es sei erschreckend, wie „zäh“ der Aufbau der Digitalisierung in der weltweit viertgrößten Wirtschaftsmacht vor sich gehe. Die FDP will den Menschen in den Mittelpunkt stellen: „Als Architekt seines Lebens kann der Mensch wieder den Aufstieg schaffen.“ Die FDP sei so geschlossen wie lange nicht mehr, der bayerische Landesverband habe den höchsten Mitgliederbestand seit 60 Jahren erreicht, berichtete Föst.
„Wir müssen den liberalen Charakter unseres Staates verteidigen“, erinnerte Martin Hagen, Fraktionsvorsitzender im bayerischen Landtag. Die Regierung sei sehr schnell bei der Hand, wenn es darum geht, die Rechte der Bürger einzuschränken. Umso langsamer sei die Regierung, wenn es um Lockerungen geht. „Mehr Tests, mehr Impfstoffe und Gesundheitsämter, die nicht mehr mit Fax kommunizieren“, stehen für Hagen auf der FDP-Forderungsliste. Es gehöre zur Rolle der FDP, die Grundrechtseinschränkungen zu hinterfragen. Corona werde nicht spurlos an der Politik vorbeigehen. „Klimaschützer sehen Corona als Blaupause für die Klimapolitik“, warnte Hagen. Es gelte aber auch klare Kante gegen Law-and-order-Methoden zu zeigen. Gäste-Listen in der Gastronomie haben nach Corona nichts mehr zu suchen.
Ziel: Drittgrößte Kraft in Niederbayern
Die niederbayerische Bezirksvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Nicole Bauer (Velden) erklärte: „Wir stehen vor einer richtungsweisenden Wahl im September. Es geht darum, Freiheit und Bürgerrechte zu sichern.“ Die FDP fordert bessere Rahmenbedingungen und Konjunkturprogramme für den Mittelstand, die Industrie sowie den Handel und das Handwerk.
Die FDP steht nach den Worten der Bezirksvorsitzenden Nicole Bauer für einen starken ländlichen Raum und eine nachhaltige wettbewerbsfähige regionale Land- und Forstwirtschaft. Damit würde auch die nächste Generation gerne wieder den Beruf erlernen und Familienbetriebe übernehmen. Als Wahlziel nannte es Bauer, in Niederbayern drittstärkste Kraft zu werden. „Die Zeichen stehen gut.“ Der Bürger sieht laut Bauer in der Corona-Krise die Ratlosigkeit und komplette Überforderung der Bundesregierung. „Wir brauchen klare Wenn-Dann-Regeln zu Hygiene und Einlassbeschränkungen, aber keine absurden Regelungen wie Ausgangssperren.“
Bestechlichkeit „politische Todsünde“
Zur aktuellen Chaos-Politik komme die Aufdeckung von Bestechungsskandalen im Bundestag. „Wer die Pandemie für den eigenen Vorteil nutzt, handelt schändlich“, betont Nicole Bauer. Bestechlichkeit sei eine „politische Todsünde“. Es sei bitternötig, dass die Maskenaffäre lückenlos aufgeklärt werden kann. „Wir brauchen endlich ein Lobbyregister das der Deutsche Bundestag verabschieden muss, bestenfalls noch in dieser Legislaturperiode“, fordert Bauer.
Vor der Verrentung der Baby-Boomer in den Jahren nach 2030 gibt es laut Vogel die letzte Chance, in der nächsten Legislaturperiode noch die Weichen zu stellen. Die Liberalen machen sich dafür stark, dass jeder für die gesetzliche Rente in Aktien investieren soll. Bisher können Arbeitnehmer so nur privat vorsorgen. Der FDP-Rentenexperte im Bundestag und Generalsekretär der NRW-Liberalen, Johannes Vogel, hat in seinem Impulsreferat das Konzept auf dem ersten virtuellen Bezirksparteitag der FDP Niederbayern vorgestellt. Motiv der Liberalen ist es, die Rente „enkelfit“ zu machen.
Gerade Menschen mit geringem Einkommen könnten so endlich Eigentum für die Altersvorsorge aufbauen, so Vogel. Nach den FDP-Vorstellungen soll jeder gesetzlich Rentenversicherte zwei Prozent seines Einkommens in die Aktienrente einzahlen – getragen je zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Dafür wird nach dem Modell der Beitrag zur gesetzlichen Rente um diesen Anteil gesenkt, heute auf 16,6 Prozent. Durch diese Absenkung der gesetzlichen Rente soll langfristig durch das kapitalgedeckte System mehr als ausgeglichen werden. Vogel wies auf die Auswüchse veralteter Gesetze hin, die Regelungen zu Home-Office und Telearbeit stammten noch aus den 80er Jahren. Selbstständige würden nicht nur in der Corona-Krise schäbig behandelt, so Vogel. Die Bundesregierung sei auf diese gängigen Arbeitsmodelle nicht eingestellt.
Ausgangspunkt „Mündiger Bürger“
Die liberalen Visionen zu den ländlichen Räumen stellte Alexander Muthmann, stellvertretender FDP-Fraktionsvorsitzender im Bayerischen Landtag, vor. Liberaler Denkansatz sei, den Gemeinden so viel Eigenverantwortung wie möglich und nötig zu übertragen, aber auch die Chancengleichheit für alle Menschen zu gewährleisten. Ausgangspunkt der liberalen Überlegungen sei der „mündige Bürger“. Entscheidend für den liberalen Politiker sei es, Freiheit mit Verantwortung zu verbinden: „Wir erwarten, dass sich die Bürgerinnen und Bürger auch engagieren“, betont Muthmann. Die Bedeutung des Ehrenamts kann laut Muthmann nicht hoch genug eingeschätzt werden. „Im ländlichen Raum wird fast alles vom ehrenamtlichen Engagement getragen.“
Wegen der unterschiedlichen Ausgangsbasis sei es nötig, den Gemeinden unterschiedliche Instrumentarien in die Hand zu geben. Der Staat muss laut Muthmann den Wirrwarr der verschiedenen Förderprojekte entzerren. „Wir müssen den Förderdschungel bereinigen und die finanziellen Freiräume der Gemeinden stärken.“ Dazu sollen einzelne Gemeinde besser miteinander kooperieren können. Der Staat muss, so fordert Muthmann, den kommunalen Finanzausgleich anpassen, den fachspezifischen Förderwirrwarr beenden und die staatliche Infrastrukturaufgaben wie Breitband oder Mobilfunk übernehmen.
Mehr hybride Sitzungen
Die niederbayerischen Liberalen haben in der Antragsberatung begrüßt, dass der bayerische Landtag es ermöglicht hat, dass Gemeinden und Landkreise ihre Sitzungen die Teilnahme via Ton und Bild übertragen. Das Mittel der hybriden Sitzungen sei nicht nur in der jetzigen Zeit der Pandemie sinnvoll. Daneben biete es auch Eltern und geschäftlich Reisenden leichter die Möglichkeit, an Gemeinde- und Kreistagssitzungen teilzunehmen. Die FDP fordert, dass sämtliche Gemeinden und Kreise in Niederbayern umgehend die Möglichkeiten der hybriden Sitzungen nutzen können. Der Landtag soll eine Regelung zu den Ferienausschüssen finden, damit fraktionslose Vertreter oder kleine Fraktionen nicht über Monate von der Teilhabe ausgeschlossen werden.
Ausnahmen für Erntehelfer
Die FDP Niederbayern spricht sich dafür aus, die Ausnahmen für Erntehelfer auch für 2021 gelten zu lassen. Die 70-Tage-Regelung soll auf 115 Tage sozialversicherungsfrei verlängert werden, betonte FDP-Bezirksvorsitzende Nicole Bauer. Niederbayern sei in der Wertschöpfungskette der Land- und Ernährungswirtschaft hochgradig spezialisiert und auf die Erntehelfer bei der Spargelernte oder im Hopfenanbau angewiesen. Reibungslose Abläufe der Feldarbeiten reduzieren laut Bauer nicht nur Ernteverluste, sondern sie tragen dazu bei, dass die Bevölkerung mit heimischen Lebensmitteln in ausreichender Menge und höchster Qualität versorgt werde. Wegen der Corona-Pandemie soll verhindert werden, dass Erntehelfer unnötig reisen müssten. Die Land- und Ernährungswirtschaft sei als systemrelevanter Bereich wichtig, um bei umfassenden Hygiene- und Arbeitsschutzkonzepten die betriebsnotwendigen Arbeitsläufe aufrecht zu erhalten.
Die FDP Niederbayern fordert den Freistaat Bayern auf, die Ko-Finanzierung bei den Einstiegsbegleitungsprogrammen für Berufseinsteiger wieder aufzunehmen. In diesem Bereich werden junge Menschen aus Mittel- und Förderschulen (mit Behinderung und sonderpädagogischem Förderbedarf sowie chronischen und psychischen Erkrankungen) gefördert, die den Abschluss einer allgemein-bildenden Schule zu erreichen oder den Übergang in eine Berufsausbildung zu bewältigen.