Nach 10.000 Kilometern ein sicheres Heim
(ra) So sieht ein echtes Happy End aus: Über zigtausend Kilometer ist ein Storchen-Paar aus ihrem Winterquartier in Afrika nach Hause geflogen, nach Neufahrn. Dort fanden sie zwar ihren seit drei Jahren genutzten Horst so nicht mehr vor – aber in rund 20 Metern Luftlinie entfernt einen bezugsfertigen Ersatz-Horst, den Mitarbeiter des Landratsamts und des Landschaftspflegeverbands zusammen mit ehrenamtlich engagierten Tierfreunden hergerichtet hatten. Mit Erfolg: Unter den Fittichen des Paars wächst derzeit Neufahrns nächste Storchengeneration heran.
Den Helfern ist ein Stein vom Herzen gefallen, als sie im April sehen konnten, dass die Mühen nicht umsonst gewesen waren, eine storchengerechte Wohnstätte zu schaffen und sie auf einer acht Meter hohen Beton-Hopfensäule zu platzieren. Mit viel zoologischer Fachkunde und mindestens ebenso viel Herzblut, mit Maschinen eines Bauunternehmens, Material einer Stahlbau-Firma sowie einem Bagger einer weiteren Firma wurde ans Werk gegangen.
Windschiefer Kamin gefährlich für Nest und Jungtiere
Unter Federführung von Simon Sedlmeier-Rudek von der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) am Landratsamt Landshut und Helmut Naneder, dem stellvertretenden Geschäftsführer des Landschaftspflege-Verbandes (LPV) Landshut, und in jeder Hinsicht unterstützt von Peter Forstner, 1. Bürgermeister von Neufahrn und bekennender Tier- und Storchenfreund, ist an einem Samstag Anfang April die Rettungsaktion gestartet worden.
Der windschiefe Kamin auf dem Gebäude einer früheren Metzgerei, auf dem das Storchen-Paar bereits dreimal genistet hatte, kam als erneute Kinderstube nicht mehr in Betracht – weder für Mensch noch Storch: Die Eigentümerin baut das Gebäude um und renoviert das Dach und der inzwischen abschüssige Storchenhorst auf dem baufälligen Kamin wäre für Nest und Jungstörche höchst gefährlich. Ein Ersatz-Horst musste möglichst bald her.
Naneder: Entscheidung lag bei den Störchen
Gemeinsam ging man ans Werk: neben Naneder und Sedlmeier-Rudek aus Neufahrn und Umgebung Florian Bortenschlager, Manfred Dichtl und seine Tochter Veronika, Christian Holländer und Georg Schmidmüller. Zunächst wurde das ausgediente Storchennest abgebaut und der alte Kamin so verändert, dass er für Störche während der Baumaßnahmen nicht mehr als Horst in Frage kommt.
In Absprache mit der Grundstückseigentümerin Rosmarie Gammel wurde im Garten des Anwesens die acht Meter hohe Hopfensäule verankert, darauf eine Nistplattform aus verzinktem Eisen installiert und mit Stroh, Weidenflechtwerk und weißer Kalkfarbe so hergerichtet wurde, wie Störche das lieben – jedenfalls, soweit Naturschutz-Fachleute wie Helmut Naneder und Simon Sedlmeier-Rudek das wissen und vor Ort nachahmen konnten.
Dann begann das Bangen: „Denn trotz aller Bemühungen den Horst attraktiv und quasi bezugsfertig zu gestalten, traf die Wahl ja letztlich der Storch“, stellt Helmut Naneder schmunzelnd fest. Zuerst kam – wie bei Störchen üblich – der männliche Storch zurück aus dem Überwinterungs-Quartier irgendwie in Ost- oder Südafrika, wenige Tage später auch Frau Storch. Und – ihnen gefiel die neue Wohnstatt-Kinderzimmer-Kombination. Der Umzug ist gelungen – die engagierte Arbeit der Naturfreunde hat sich also gelohnt.
Naturschutz-Maßnahmen, die nachhaltig greifen
Ausgezahlt haben sich für die Storch-Population in Deutschland nach den Worten von Helmut Naneder auch mehrere andere Faktoren: Besonders die Tatsache, dass vom Gesetzgeber vorgeschrieben worden ist, Mittelspannungs-Masten mit Vorkehrungen zu versehen, um Stromschläge verhindern. Stromleitungen sind zuvor vielen Störchen zum Verhängnis geworden.
Und auch die vielfältigen Bemühungen von Kommunen wie dem Landkreis Landshut und seinen Gemeinden, die vielerorts Vorbildliches leisten, als auch von Landschaftspflege-Verbänden haben gefruchtet, unterstreicht Helmut Naneder: Zahlreiche Flächen wurden für Ausgleichszwecke angekauft, Feuchtbiotope werden durch Pflege erhalten oder neu angelegt, extensiv genutzte Wiesen, Weiden oder Auengebiete werden als Lebensräume der heimischen Flora und Fauna geschützt, Gewässer renaturiert.
Zahl der Störche nimmt langsam wieder zu
In Deutschland nimmt daher – nach einer langen Phase des Rückgangs – seit etwa 20 Jahren die Zahl der Störche wieder beständig zu. Auch im Raum Landshut macht sich dieser positive Trend bemerkbar: Außer in Neufahrn brüten Storchenpaare heuer auch in Pfeffenhausen, Rottenburg-Niedereulenbach, Ergoldsbach und Gerzen.
In Volksmärchen und Legenden, auch in der Mythologie vieler alter Völker, von Kelten, Germanen, Slawen und Balten tritt Meister Adebar, der Storch, als Glücksbringer und Kraftspender auf. Wenn das einmal kein gutes Zeichen auch für die Zukunft der Gemeinde Neufahrn ist!