Kommentar: Wenn plötzlich Mandatsträger wieder aus der Versenkung auftauchen
Der Bundestags-Wahlkampf hat begonnen. Ja, die Nominierungsversammlung der Parteien fanden schon vor einigen Wochen statt. Die Kandidaten stehen fest – amtierende Mandatsträger und solche, die es werden möchten. Alle wollen sie (wieder) als Volksvertreter einen Sitz im Parlament. Einige der Kandidaten kennen die Arbeit eines Bundestagsabgeordneten bereits und wünschen sich eine Wiederwahl.
Sie hatten in den letzten nahezu dreieinhalb Jahren Zeit gehabt, die Politik in Deutschland mitzugestalten. Von einigen hat man in dieser Zeit vernommen, wie ihr Arbeitspensum aussieht. Andere haben sich in ihrem Mandat ganz offensichtlich ausgeruht. Nicht anders ist es zu erklären, dass dieser Tage plötzlich aus ihren Büros Pressemitteilungen versandt werden. Dreieinhalb Jahre waren sie in der medialen Versenkung verschwunden. Jetzt, wo es darum geht, wieder auf Stimmenfang zu gehen, erinnern sie sich, dass die Medien für ihre Präsenz in der Öffentlichkeit – und damit bei den Wählern – wichtig sind.
Was haben diese Mandatsträger in der Zwischenzeit gemacht? Medial gesehen nicht viel. Dass ihre Präsenz (!) im Bundestag wohl überwacht wird, dafür sorgen parlamentarische Instrumente. Ihre Leistung wird mit diesen Instrumenten nicht gemessen. Das ist die Aufgabe der Wähler.
Die Wähler haben im Herbst auch die Möglichkeit, ihr Urteil über die Arbeit der Parlamentarier abzugeben. Wer war fleißig und wer faul? Wer hat sich für seine Region eingesetzt? Wer hat die Interessen seiner Wähler vertreten?
Auch wir Medien beobachten das Engagement der Abgeordneten! Und wir sehen auch, wer aktiv ist oder sich eher auf seinem Mandat ausruht. Dass dieser Tage plötzlich Pressemitteilungen von Mandatsträger eintreffen, von denen wir in den letzten dreieinhalb Jahren kaum oder nichts gehört haben, gibt uns zu denken. Jetzt erwarten wohl diese, dass wir über ihr aktuelles Tun berichten, damit sich ihre Wählern daran erinnern, dass sie ja einmal bei ihrem Namen oder ihrer Partei ein Kreuzchen abgemacht haben. Dabei fragen wir uns natürlich, wohin waren sie in den letzten Jahren verschwunden?
Wer meint, „einmal im Bundestag, immer im Bundestag“ oder „über die Liste komme ich schon wieder zu meinem Mandat“, der sollte sich darauf nicht verlassen. Der Wähler ist nicht dumm! Und wir Medien, von denen man erwartet, dass sie nicht erkennen, was das plötzliche mediale Engagement bedeutet, sind auch nicht dumm! Unsere Aufgabe wird es in den nächsten Monaten sein, kritisch zu hinterfragen, was die Mandatsträger in ihrer Amtszeit tatsächlich gearbeitet haben.
Von einem Abgeordneten erwarten wir, dass er während der gesamten Legislaturperiode sein Bestes für die Menschen in seiner Region und in seinem Land gibt. Ansonsten muss er mit Konsequenzen rechnen.
Johann Haas