21. April 2025
Mallersdorf-Pfaffenberg

Jetzt: Der „Blaue Heinrich“ in der Klinik Mallersdorf

(ra) Ein kleines Fläschchen aus Kobaltglas mit einem Sprungdeckel gehört zu den neuesten Errungenschaften Christian Schoßmeier, Hygienefachkraft an der Klinik Mallersdorf. Den auch „Blauer Heinrich“ genannten Taschenspucknapf für an Tuberkulose erkrankte Patienten hat er durch Zufall über die Sendung Kunst & Krempel im Bayerischen Rundfunk ausfindig gemacht, erworben und in einem Schaukasten der Klinik Mallersdorf ausgestellt.

Hygienefachkraft Christian Schoßmeier mit dem historischen Fläschchen namens „Blauer Heinrich“. -  Foto: Klinik Mallersdorf
Hygienefachkraft Christian Schoßmeier mit dem historischen Fläschchen namens „Blauer Heinrich“. – Foto: Klinik Mallersdorf

Gegen Ansteckung und unappetitlichen Anblick

Die Herkunft der Bezeichnung ist ungeklärt, im Englischen wird das Gefäß auch „Blue Peter“ oder „Blue Henry“ bezeichnet. Erfunden hat das Hilfsmittel Dr. Peter Dettweiler im Jahr 1889. 1876 hatte er die Leitung der neu gegründeten Lungenheilanstalt Falkenstein im Taunus übernommen. Dr. Dettweiler war auch Erfinder der Liegekur, die er damals zur Behandlung von Tuberkulose etablierte. Der „Blaue Heinrich“ wurde erstmals 1889 auf dem 8. Kongress für Innere Medizin in Wiesbaden vorgestellt. Jeder Hustenden sollte es nach Dr. Dettweilers Auffassung als „heilige Pflicht“ ansehen, dieses einfache und preisgünstige Gerät zum Auffangen des infektösen Sputums zu verwenden. Das eiförmige Glasfläschchen verfügt über einen Sprungdeckel, der mit einer Hand bedient werden kann. Im Inneren befindet sich zur Aufnahme des Auswurfs ein Trichter. Der untere Verschluss kann zur Reinigung abgeschraubt werden.

Das Fläschchen wurde mit Wasser beziehungsweise mit einer fünfprozentigen Carbollösung gereinigt. Der „Blaue Heinrich“ ist so konzipiert, dass er selbst beim Umfallen mit offenem Deckel nicht auslaufen kann. Das blaue Glas verhindert, dass der unappetitliche Inhalt erblickt werden kann. Bei Kobaltgals handelt es sich um mit Kobaltoxid blau gefärbtes Glas. Patentiert wurde die Flasche von der Fabrik Gebr. Noelle in Lüdenscheid. Dr. Dettweiler`s Erfindung wurde rasch bei allen Lungenheilanstalten in Deutschland und in der Schweiz eingeführt.

Bekannt durch Thomas Manns „Zauberberg“

Literarisch wurde der „Blaue Heinrich“ im Roman „Zauberberg“ von Thomas Mann berühmt. Als Hans Castorp seinen an Tuberkulose erkrankten Vetter Joachim Ziemßen besucht, darf er einen Blick auf die „flache, geschweifte Flasche aus blauem Glase mit einem Metallverschluss“ werfen. Dazu sagt der Vater: „Das haben die Meisten von uns hier oben. …Es hat auch einen Namen bei uns, so einen Spitznamen, ganz fidel.“ Hans Castorp erfährt erst später diesen Namen aus dem Mund der ungebildeten Frau Stöhr: „Ganz ohne Überwindung, mit störrisch unwissender Miene, brachte sie die fratzenhafte Bezeichnung ‚Der Blaue Heinrich’ über die Lippen.“

Ein Stück Medizingeschichte erworben

Christian Schoßmeier, Hygienefachkraft der Klinik Mallersdorf, entdeckte das Fläschchen zufällig im Sommer 2015 in der bekannten Sendung  Kunst & Krempel des Bayerischen Rundfunks (BR). Als Liebhaber von Historischem und als bekennender „Zauberberg“-Leser, war für ihn klar, er würde versuchen, den „Blauen Heinrich“ zu erwerben. Er nahm Kontakt mit der Redaktion von Kunst & Krempel auf und wurde bald darauf vom Besitzer der des historischen Hilfsmittels kontaktiert. „Ich freue mich sehr, dass ich den „blauen Heinrich“ erwerben konnte. Der „Blaue Heinrich“ ist ein historisches Relikt, das nach der Entdeckung des Tuberkuloseerregers durch Robert Koch 1882 im Sinne der Infektionsprävention eingesetzt wurde“, so Schoßmeier. Interessierte können den „Blauen Heinrich“ an der Klinik Mallersdorf im Schaukasten im Erdgeschoss hinter den Aufzügen neben dem Zugang zum Treppenhaus in Augenschein nehmen.