GesundheitMallersdorf-Pfaffenberg

Chefarzt Thomas Beer implantiert Oberschenkelersatz mit zwei Kunstgelenken

(ra) Chefarzt Thomas Beer hat vor wenigen Wochen erstmals in der Unfallchirurgie der Klinik Mallersdorf einen kompletten künstlichen Oberschenkelknochen mit angegliedertem Hüft- und Kniegelenk implantiert: eine sogenannte Femurtotalendoprothese. Am Montag gab er folgendes Interview:

Herr Beer, die Femurtotalendoprothese ist das wohl größte Implantat, das für den Knochen- und Gelenkersatz an ihrer Klinik je implantiert wurde. Unter welchen Umständen kommt es zum Einsatz?

Beer: Dass Hüft- und Kniegelenk von krankhaftem Verschleiß betroffen sind, ist gar nicht so selten. Viele Arthrosepatienten erhalten im Laufe ihres Lebens für beides einen Gelenkersatz. Muss ein Kunstgelenk nach Jahren einmal ersetzt werden, wird dabei jedes Mal Knochenmasse verbraucht. Vor allem in der Anfangszeit der Endoprothetik wurde noch nicht so knochensparend operiert wie heute mit Oberflächen- und Teilgelenkersatz. Zur Verankerung der Endoprothese im Knochen werden mit jeder Revisionsoperation längere Schäfte benötigt – zu Lasten des dazwischen liegenden Oberschenkelknochens. Ist dieser dann noch infolge einer Osteoporose, Fraktur, eines Knochentumors oder einer Infektion geschädigt, finden Implantate keinen Halt. Mit dem Oberschenkelkomplettersatz schafft man wieder stabile Verhältnisse.

Bild: Chefarzt Thomas Beer mit einem Implantatmodell für den Oberschenkelkomplettersatz mit integriertem Hüftgelenk (links) und Kniegelenk (rechts). - Foto: Klinik Mallersdorf
Bild: Chefarzt Thomas Beer mit einem Implantatmodell für den Oberschenkelkomplettersatz mit integriertem Hüftgelenk (links) und Kniegelenk (rechts). – Foto: Klinik Mallersdorf

Welches Schicksal droht den betroffenen Patienten, wenn es den Oberschenkelkomplettersatz nicht gäbe?

Beer: Bei einer gelockerten Gelenkprothese und einem instabilen Knochenbruch ist eine Operation unumgänglich, ganz unabhängig vom Alter. Es geht darum, Bettlägerigkeit mit all ihren lebensbedrohlichen Konsequenzen oder gar eine Amputation zu vermeiden. Ziel ist es, die Operation so zu gestalten, dass die Patienten ohne weitere Folgeoperationen auf Dauer gehfähig bleiben – eine wichtige Voraussetzung für das gesamte körperliche Wohl und die und Lebensqualität.

Wie kann man sich den Ablauf einer solchen Operation vorstellen?

Beer: Der Eingriff erfolgt in einer einzigen Sitzung, die sich über mehrere Stunden erstrecken kann. Über zwei Schnitte an Hüfte und Knie entfernen wir die bisherigen Implantate. An Stelle von zwei Schäften, die sich von Hüft- und Knieseite her recht nahe kommen würden, setzen wir einen gemeinsamen zusammensteckbaren Schaft zur Verbindung von Hüft- und Knieprothese ein. Er kann in individueller Stärke und Länge entweder als Stift durch den Oberschenkelknochen geschoben werden oder diesen auch ganz ersetzen. Wichtig ist der Erhalt der Gelenkspannung, um einer Ausrenkung vorzubeugen.

Wie ist die Belastbarkeit, Beweglichkeit und Lebensqualität mit einem Oberschenkelkomplettersatz?

Beer: Belastbar ist das Gelenk vom ersten Tag an, natürlich zunächst unter physiotherapeutischer Begleitung mit Lymphdrainage, Motorschiene und den nach Hüft- und Kniegelenkersatz üblichen schonenden Bewegungsübungen. Nach ihrer Verlegung auf die Normalstation konnte unsere kürzlich operierte Patientin bereits erste Schritte machen. Nach 14 Tagen Klinikaufenthalt trat sie diese Woche ihre Anschlussheilbehandlung in einer Rehaklinik an und wird nach drei Monaten wieder zur Nachkontrolle bei uns vorstellig. In aller Regel verspüren die Patienten langfristig keinen Unterschied zum eigenen Knochen und können sich ohne Angst vor einem Oberschenkelbruch unbeschwerter und damit auch ausgiebiger bewegen.

Was hat Sie dazu veranlasst, diese OP-Technik an der Klinik Mallersdorf einzuführen?

Beer: An der Klinik Mallersdorf gibt es bereits eine langjährige Tradition und große Erfahrung im Bereich Gelenkersatz und Revisionsoperationen. Die Operation ist also für unsere Klinik im Grunde nichts komplett Neuartiges, sondern vielmehr der nächste logische Schritt zur Verbindung zweier gut etablierter Operationstechniken, nämlich dem Prothesenwechsel am Knie und an der Hüfte. Aufgrund der Dauer und des Ausmaßes der kombinierten OP sind eine leistungsfähige Anästhesieabteilung und eine gut ausgestattete Intensivstation unentbehrlich. Sie gewährleisten eine optimale Patientenversorgung während und nach dem Eingriff. Das OP-Personal arbeitet mit sehr vielfältigem Instrumentarium, für das es geschult sein muss.

Wichtig ist auch die Überwachung der Blutgerinnung und Blutversorgung. Wir arbeiten hier mit einem sogenannten Cell-Saver zur Eigenblutrückgewinnung. Außerdem handelt es sich bei den operierten Patienten meist um ältere Menschen mit vielfältigen Begleiterkrankungen wie Herz-Kreislaufbeschwerden, die internistisch mitversorgt werden müssen. Für Patienten, denen die Verlegung an eine entfernte Rehaklinik zu beschwerlich wäre, ist die Möglichkeit der Reha direkt an unserer Klinik sehr von Vorteil. Die Römerbad Kliniken betreiben hier eine AHB-Station mit Physikalischer und Bäderabteilung. All diese Rahmenbedingungen sind hier vor Ort bereits gegeben.

Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach der Bedarf für diese Art der Endoprothetik allgemein und speziell an der Klinik Mallersdorf entwickeln?

Beer: Da die Endoprothetik nun schon über mehrere Jahrzehnte praktiziert wird, auch in unserer Region, befinden sich viele Patienten nun in einem Alter, in dem sich ihr künstliches Gelenk lockern kann. Es ist daher absehbar, dass künftig Prothesenwechsel noch häufiger benötigt werden. Mit Wechseloperationen haben wir an unserer Klinik gute Erfahrungen gemacht und werden auch den Oberschenkelersatz als Bestandteil davon weiterführen. Aber auch in der Primärendoprothetik gibt es in Folge dieser Erkenntnisse Weiterentwicklungen. Wir haben gelernt, als Erstimplantate Prothesen und Materialien zu verwenden, die sich gut für den Wechsel eignen und nicht zu viel Knochen verbrauchen.