Angriff in der JVA-Psychiatrie: Renitenter Häftling beißt Beamten
(pw) „Ich weiß nicht, wie die Hand in meinen Mund gekommen ist“, sagte Sandro A. (Name geändert) am Mittwoch über seinen Dolmetscher. Der 30-jährige Häftling der JVA Straubing ist vor dem Amtsgericht Straubing angeklagt, weil er vor knapp einem Jahr vier Justizbeamte tätlich angegriffen und einen von ihnen dabei in den kleinen Finger gebissen haben soll. Die Schilderungen über den Vorfall vor knapp einem Jahr in der Anstaltspsychiatrie gehen ziemlich auseinander.
Sandro A., der aus Georgien stammt, sitzt zusammengesunken auf der Anklagebank und blickt starr auf den Tisch vor ihm. Monoton spricht er mit seinem Dolmetscher. Warum er überhaupt in die Psychiatrie gekommen war, beantwortet er ausweichend mit „einer Auseinandersetzung mit einem Arzt.“ Er sollte – so schildern es Zeugen – innerhalb der Abteilung von einem normalen in einen besonders gesicherten Raum verlegt werden. Sandro A. bezeichnet ihn als „Gummizelle“. Als er sich daran erinnert, kommt plötzlich Leben in ihn: „Ich hatte ein Gebetbuch dabei, dann kamen schwarz gekleidete Menschen herein und brachten mich in ein anderes Zimmer“, erzählt er. „Dann haben sie angefangen, mich auszuziehen, mich an die Wand gestellt und die Beine auseinandergespreizt.“ Er habe angefangen zu Gott zu beten, „dann habe ich gespürt, dass mich jemand am Po anfasst und da ist mein Mund zugegangen.“ Er habe sich wehren wollen, aber es seien sechs bis sieben Leute um ihn herumgestanden.“ Sandro A. bezeichnete die Entkleidung als „sehr gewalttätig.“
Dasselbe allerdings schilderten die Justizbeamten als Zeugen aus der anderen Perspektive. Man sei vom Pflegepersonal der Psychiatrie verständigt worden, weil der Gefangene massiv gegen die Haftraumtür geschlagen habe. Deshalb sei die Verlegung notwendig gewesen, sagte einer der JVA-Bediensteten vor Gericht. Es sei ganz normal, dass die Häftlinge anschließend erst einmal entkleidet würden, um auszuschließen, dass sie gefährliche Gegenstände dabeihätten. Die Zeugen beschrieben Sandro A. ihrerseits als „plötzlich aggressiv“. Durch den Biss in den kleinen Finger eines Beamten ging sogar der Handschuh kaputt und eine Gelenkkapsel wurde verletzt. Der JVA-Bedienstete war dadurch dienstunfähig. Er habe mit der Hand das Sichtfeld des Häftlings begrenzen wollen, sagte der Beamte und habe seine Hand vor dessen Kopf gehalten. Dann habe dieser wohl zugeschnappt. Die ganze Situation sei durch den Psychiater beendet worden, der Sandro A. mit einer Spritze medikamentös ruhig stellte.
Sandro A.s Verteidigerin Olga Sommer wollte wissen, ob ihr Mandant vielleicht nur erschrocken sei, und deshalb versehentlich geschnappt habe. Dies schloss der Zeuge jedoch aus. Außerdem wollte die Verteidigerin wissen, ob Sandro A. über die bevorstehende Entkleidung informiert worden sei. „Wir haben die ganze Zeit mit ihm geredet, außerdem ist das ja Routine“, entgegnete einer der Beamten. Die Anwältin entgegnete, das „Reden“ sei ohnehin sinnlos, da ihr Mandant kein Deutsch verstehe. Sie sah den Vorfall als nicht so gravierend an, dass man ihn hätte verfolgen müssen. „Das sind immer dynamische Situationen“, sagte die Verteidigerin.
Das Gericht folgte dieser Argumentation nicht und verurteilte Sandro A. wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung, blieb aber mit dem Strafmaß von drei Monaten und zwei Wochen am unteren Rand.