Tag des offenen Denkmals: Interesse für das historische Erbe wecken
(ra) Seit 1993 gibt es bundesweit den „Tag des offenen Denkmals“. Wer hätte damals gedacht, dass sich diese Aktion so rasch zur erfolgreichsten Kulturveranstaltung Deutschlands entwickeln würde? Auch die Stadt Straubing beteiligt sich mit der Präsentation ihres historischen Erbes von Anfang an. Diese Veranstaltung, bei der verschiedene Baudenkmäler der Bevölkerung durch kostenlose Führungen zugänglich gemacht werden, ist in Straubing schon zur Tradition geworden. Das Jahresmotto 2019 „Umbrüche in Kunst und Architektur“ bezieht sich insbesondere auf Epochen und Reformbewegungen in der modernen Baugeschichte.
In Straubing werden dieses Jahr zwei Baudenkmäler vorgestellt, die im 20. Jahrhundert entstanden sind und bedeutende Zeugnisse der gesellschaftlichen, bau- und stadtgeschichtlichen Entwicklung darstellen. Die Untere Denkmalschutzbehörde bietet hierzu mehrere Führungen an, bei denen die Besucher nicht nur Einblicke in die Baugeschichte der Gebäude erhalten, sondern auch etwas über deren städtebauliche Bedeutung erfahren. Darüber hinaus berichten Baufachleute über die Renovierung einer Villa aus der Zeit der Jahrhundertwende, wofür die Besitzer besonders ausgezeichnet wurden.
Die Eröffnung der Veranstaltung findet am 8. September um 10 Uhr im Rahmen eines Gottesdienstes in der Evang.-Luth. Versöhnungskirche Straubing statt. Die Begrüßung erfolgt im Anschluss durch Bürgermeister Hans Lohmeier. Die gesamte Bevölkerung ist hierzu eingeladen.

Evangelisch-Lutherische Versöhnungskirche
Nach der schrecklichen Zeit des Zweiten Weltkriegs erlebte Straubing in den ersten Nachkriegsjahren einen nachhaltig wirkenden Bevölkerungswandel. Tausende von Evakuierten, Flüchtlingen und Heimatvertriebenen siedelten sich hier an, was auch die Schaffung neuer Wohn-, Arbeits- und Lebensmöglichkeiten erforderlich machte. Nach dem Bau der Christuskirche an Stelle der bei einem Bombenangriff zerstörten protestantischen Kirche in der Bahnhofstraße stellte sich infolge des neuen Besiedlungsschwerpunkts die Notwendigkeit einer weiteren evangelischen Kirche in Straubing-Ost heraus, dort wo sich besonders viele evangelische Flüchtlinge niedergelassen hatten. 1958 stellte die Kirchengemeinde deshalb den Antrag an die evangelische Landeskirche, eine Kirche mit Pfarrhaus bei St. Nikola zu bauen. Mit der Planung wurde der Münchner Architekturprofessor Johannes Ludwig (1904-1996) betraut, der unter anderem schon durch die Fertigstellung der Straubinger Christuskirche bekannt war.

Auf dem Grundstück an der St.-Nikola-Straße ist eine charakteristische Baugruppe mit relativ großer Kirche, Glockenturm, Pfarrhaus, Gemeinderäumen und Hofraum entstanden, die die ortstypische offene Bauweise am damaligen Stadtrand aufgreift, die Umgebung aber durch die strenge Formensprache beherrscht. Das Ensemble besitzt gerade wegen der Einfachheit eine besondere und sehr interessante Raumwirkung. Der Bautyp der Saalkirche ist im Inneren durch subtile handwerkliche Gestaltungsmittel neu belebt. Weiß getünchte Mauern dienen dem „hölzernen Himmel“ des Dachstuhls als Fundament. Durch die Belichtung „von unten“ mittels der sparsamen Befensterung erhält der Raum etwas Geheimnisvolles. Auch die Ausstattung wie z. B. Lampen und Gestühl weist das klare Repertoire des Kirchenarchitekten Johannes Ludwig auf. Die gesamte Anlage ist jedoch aus dem Ort entwickelt und individuell gestaltet.
Baureferent Wolfgang Bach und Historiker Werner Schäfer informieren bei ihren Führungen über die Entstehungs- und Baugeschichte sowie die architektonische und künstlerische Gestaltung der Versöhnungskirche. Organist Franz Schnieringer wird neben dem Eröffnungsgottesdienst auch die Führungen um 11:30 Uhr und 15:00 Uhr mit Orgelmusik begleiten.
Villa Jungmeier

Die Villa Jungmeier wurde 1903 vom Fabrikbesitzer Fritz Jungmeier nach den Plänen des Straubinger Architekten Franz Dendl errichtet. Zum Baudenkmal gehören der straßenseitige Walmdachbau mit Erkerturm, das ehemalige Stallgebäude und die Gartenanlage mit historischer Einfriedung.
Aufgrund seiner umfassend erhaltenen bauzeitlichen Gesamtanlage ist das Anwesen ein prägendes Zeugnis für die ab dem späten 19. Jahrhundert entlang der Regensburger Straße entstandene Bebauung. Die Villa zählt zu den typischen Wohnhäusern des gehobenen Bürgertums der Zeit um 1900, die durch ihre malerische Gestaltung auch auf städtebauliche Wirkung angelegt sind. Das Innere zeichnet sich durch den Erhalt der historischen Ausstattung an Parkettböden, Zimmertüren, Wand- und Bodenfliesen sowie der Treppenanlage aus.
Bei der Gesamtinstandsetzung des Wohngebäudes wurde die ursprüngliche Nutzung wieder aufgenommen und die vorhandene Raumstruktur erhalten, um den wertvollen Baubestand nicht zu gefährden und bestmöglich in das Instandsetzungskonzept zu integrieren.
Für die außerordentlichen Bemühungen zur vorbildhaften Renovierung und denkmalverträglichen Nutzung des Baudenkmals wurden die Eigentümer 2019 mit der Bayerischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet.
Irmgard Schraufstetter vom Architekturbüro Gartner und Thomas Rothamer von der Unteren Denkmalschutzbehörde berichten bei ihren Führungen über die Baugeschichte, Bedeutung und Renovierung des Baudenkmals. Eine Besichtigung ist nur anlässlich dieser Veranstaltung möglich.
Informationen zu den Führungen:
Versöhnungskirche:
Eröffnungsgottesdienst um 10 Uhr
Führungen um 11.30 Uhr, 13 Uhr, 15 Uhr
Treffpunkt: Innenhof, St.-Nikola-Straße 10
Villa Jungmeier:
Führungen um 10 Uhr, 11 Uhr, 13 Uhr
Treffpunkt: Innenhof, Regensburger Straße 33
Anmeldungen sind nicht
erforderlich.
Sämtliche Führungen sind kostenlos.