Pflegekräftemangel – „Runder Tisch“ mit Gesundheitsminister – Lösung?
(jh) Pflegekräftemangel – offensichtlich ist die Politik ratlos. Immerhin hoffte am Freitagmorgen Josef Zellmeier, MdL, dass von Seiten der Besucher eines von ihm organisierten „Runden Tisch Pflege“ Lösungsansätze kommen. Unter den Eingeladenen befand sich auch Klaus Holetschek, der Bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege.
Knapp 40 Besucher – unter anderem aus dem Bereich Pflege in Kliniken, Einrichtungen und bei mobilen Dienstleistern – waren gekommen. Einige von ihnen sprachen Tacheles. Offen berichteten sie über ihre eigenen Erfahrungen – auch im Zusammenhang mit der Pandemie. Mehrfach wurde betont, dass für die Beschäftigten nicht nur der finanzielle Aspekt eine Rolle spiele. Vielmehr gehe es um die Arbeitsbedingungen und um die Wertschätzung ihrer Arbeit.
Landrats Josef Laumer vermutete richtig, dass es an diesem Freitagvormittag keine Lösung geben werde. Er berichtete davon, dass selbst in den beiden Kreiskliniken Bogen und Mallersdorf Stationen geschlossen seien, weil das Personal fehle.
Zurecht meinte Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek: „Wir reden schon lange darüber. Aber wir müssen was ändern und nicht nur diskutieren.“ Da hat er sicherlich vielen aus der Seele gesprochen. Beim Thema Arbeitsbedingungen verwies er zuerst auf die Arbeitgeber. Sie sollten entsprechende Arbeitspläne ausarbeiten. Hinsichtlich der Finanzen meinte der Minister, dass der Freistaat wohl in notwendige Pflegebetten investiere, aber es brauche mehr Geld. Deshalb sei für ihn eine Reform der Pflegeversicherung erforderlich. Wie das Personal dafür gewonnen werden könne, konnte er keine wirklich adäquate Lösung nennen.
Der Gesundheitsminister sprach wohl im Zusammenhang mit der Dokumentation in den Kliniken und Einrichtungen von einer Bürokratie, „welche von der Wurzel angegangen werden müsste“, eine Lösung legte er auch hier nicht konkret vor. Stattdessen wiederholte er mehrmals: „Wenn es gute Ideen gibt, Modellprojekte aus den Reihen der Besucher, dann stehe ich denen gern offen gegenüber.“ Er wolle nicht an starren Linien festhalten.
Ein Punkt, dem Pflegekräftenotstand entgegenzutreten, ist für den Gesundheitsminister das Anwerben von ausländischen Pflegekräften. Er habe sich deshalb auch stark dafür gemacht, dass die Anerkennung der Ausbildung in deren Heimatländern bei uns stärker berücksichtigt werde, damit sie schneller an den Arbeitsplatz kämen. Ja, „die Pflege soll aufgewertet werden“ und „bei den Pflegeschulen müsse noch nachgesteuert werden“.
Robert Betz der Vorstand der Kreiskliniken ergriff unter den Besuchern als erstes das Wort. „Es geht bei den Beschäftigten schon auch um Geld, aber wichtiger sind ihnen die Arbeitsbedingungen“, sagte er und nannte als Beispiel die Sicherheit ihrer Freizeit und fügte hinzu: „Die Pflegekräfte wollen einen Job, der planbar ist“. Die Pflegekräfte müssen oft kurzfristig einspringen, ohne dass sie dafür eine wirklich finanzielle Anerkennung bekämen.
In die selbe Kerbe schlug Kay Hoppe, Initiator der schon vor mehreren Jahren in Straubing ins Leben gerufenen Aktion „Pflege am Boden“. Viele Kräfte würden nicht in der Pflege bleiben, weil sie die Belastungen nicht mehr ertragen können. Zum Thema „ausländische Fachkräfte als Ersatz“ sieht er eher skeptisch gegenüber. Sprachliche Probleme würden in eine „gefährliche Pflege“ münden. Hinzu käme, dass die ausländischen Kräfte außerhalb der Klinik oder Einrichtung häufig angefeindet werden, eine Integration in der Regel nicht erfolge.
Beeindruckend die Erfahrung eines pflegenden Angehörigen aus Mitterfels: Er berichtete nicht nur, von einem „großen Gefälle“ zwischen dem Angebot für Pflegebedürftige und deren Angehörige in der Stadt und im Landkreis, sondern machte dies deutlich bei seiner nahezu vergeblichen Suche nach einer Pflegeverhinderungskraft. Auch er forderte eine höhere Wertschätzung ein. In den allgemeinen Schulen müsste das Thema Seniorenpflege und Häusliche Pflege in den Unterricht einfließen.
Franz Xaver Knott, Pflegedirektor am Sankt Elisabeth Klinikum in Straubing, sagte unmissverständlich: „Der Pflegebonus zu Beginn der Pandemie war sicherlich gut gemeint, aber stümperhaft gemacht.“ Er erinnerte sich an viele Gespräche mit den Kolleginnen und Kollegen, weil nicht zu erklären war, wer was und wieviel bekommt. Er widersprach auch dem Gesundheitsminister, dass die Pandemie bereits vorbei sei: „Wir haben zur Zeit im Klinikum den höchsten Stand an Patienten im Zusammenhang mit Corona seit Anbeginn. Das kostet uns viel Kapazität damit wir den Versorgungsauftrag erfüllen können.“
Bereits seit Jahren würden für das Klinikum ausländische Fachkräfte rekrutiert werden. Dass man sich hier um diese Mitarbeiter kümmere unterstrich er so: „Wir haben 80 Wohneinheiten angemietet und drei Fachkräfte beschäftigt, um ihre soziale Ankunft zu unterstützen.“ Dies müsse aber über das normale Klinik-Budget finanziert werden – ohne staatliche Hilfe.
Das PUR VITAL Pflegezentrum Straubing holt sich ebenfalls schon seit geraumer Zeit Kräfte aus dem Ausland. Dass dies mit einem erheblichen Aufwand verbunden ist, darüber berichtete die Leiterin Petra Hegewald. Hinzu käme, dass die sprachliche Anforderung an die Kräfte enorm hoch sei, damit sie als „Fachkraft“ anerkannt werden. Viele gelten als „Hilfskräfte“, die nur Tische abwischen, aber nicht ans Bett dürften. Was die gesetzlichen Bestimmungen anbelangt sagte sie deutlich: „Es krankt von hinten nach vorn und von vorn nach hinten.“ Die Motivation bei den Mitarbeitern hochzuhalten sei ihren Worten zufolge bei ständig neuen rechtlichen Bestimmungen und Gesetzen sehr schwierig. Ähnliches kam auch von anderen Diskussionsteilnehmern.
Gesundheitsminister Klaus Holetschek sprach zwischendurch davon, dass der Staat mehr investieren müsse. Dies beginne schon bei der Übernahme der Ausbildungskosten. Pflege sei ein Beruf mit hoher Kompetenz. Dies müsste stärker herausgestellt werden. Er bestätigte, dass der Druck, Beruf und Familie wieder vereinbaren zu können, groß sei. Arbeitsprogramme und Wiedereinstiegsprogramme seien notwendig.
Für ein von Besuchern angesprochenes „verpflichtendes Praktikum“ in den oberen Schulklassen könnte sich auch Oberbürgermeister Markus Pannermayr anfreunden. Doch sein Statement ging noch einen Schritt weiter: „Wir haben noch zahlreiche andere Berufsgruppen, die über einen Fachkräftemangel klagen.“ Die Wucht des demografischen Wandels sei jetzt deutlich zu spüren – in der Pflege doppelt so stark: Die Pflegekräfte werden weniger, die Pflegebedürftigen mehr. Pannermayr mahnte, dass nicht alles über Zuwanderung und Integration zu schaffen sei. Die Politik allein könne das Problem nicht lösen: „Die Gesellschaft muss sich knallhart dafür entscheiden, was ihr wichtig ist. Vieles wird nicht mehr möglich sein.“