Das alte Europa kennen die Jugendlichen gar nicht mehr
(rp) Als Beitrag gegen die Politikverdrossenheit und zur Vorbereitung auf die U18 Europawahl haben die Privaten Schulen Kasberger-Wildmann am Freitag den Amberger Europa-Abgeordneten Ismail Ertug (SPD) nach Straubing eingeladen. Die Klassen 10, 11z, BFS 1 und BFS 2, die u.a. die Europäische Union (EU) auf dem Lehrplan haben, konnten sich so persönlich zu interessanten Aspekten der EU informieren.
Ismail Ertug, MdEP (43) beantwortete die vielen Fragen der Schüler, die vorab im Sozialkundeunterricht vorbereitet wurden. Den offenen Dialog mit den Schülern schätzte der Europa-Politiker mehr, als einen eigenen Vortrag und so gestaltete sich die Unterrichtsstunde kurzweilig und sehr interessant.
Zuerst forderte Ismail Ertug aber die „Erasmus-Generation“ heraus, die über das gleichlautende Förderprogramm Studienaufenthalte innerhalb der EU nutzen kann: „Was verbinden Sie mit der EU und wie erleben Sie sie ganz persönlich?“ Schnell wurde den Schülern klar, dass sie das „alte“ Europa mit den Innengrenzen gar nicht mehr kennen und die unbegrenzten Möglichkeiten zu der studieren, zu arbeiten und zu reisen als Selbstverständlichkeit wahrnehmen. Dass diese Freiheiten innerhalb der EU ein unschätzbares Gut und deshalb zu verteidigen seien, stellte Ertug deutlich heraus.
Die ganze Welt erlebt mit, wie wir leben
In diesem Zusammenhang sprach er auch die Sicherung der Außengrenzen an, die ebenfalls in den Gesamtkontext hineingehörten. Dabei dürfe aber auf keinen Fall vergessen werden, dass die Zuwanderung nach Europa, die vielfältige Gründe haben kann, nach humanitären Gesichtspunkten erfolgen muss. „Dazu braucht es ein Zuwanderungsgesetz, wie es die SPD in den Koalitionsvertrag aufnehmen ließ und dass der CSU-Innenminister noch immer nicht angegangen ist“, so Ertug.
Über Smartphones und andere Medien würde die ganze Welt miterleben, wie wir leben. „Wohlstand, Freiheit und Demokratie in der EU, garantierte Grundrechte und ein gelebter Pluralismus sind Werte, auf denen die EU nach den Erfahrungen zweier Weltkriege aufgebaut wurde. Es ist ein zivilisatorischer Vorsprung Europas gegenüber anderen Regionen der Erde, dass Auseinandersetzungen am runden Tisch gelöst werden können und nicht auf dem Schlachtfeld ausgetragen werden müssen“, so Ertug weiter. Dies erzeuge Zuwanderung aus unterschiedlichsten Gründen: Asyl, Flucht vor Krieg aber auch wirtschaftlicher Not – aber es seien immer Menschen, die bei uns Hilfe suchten.
Leider gebe es keine gemeinsame Linie der 28 Regierungen, die Zuwanderung zu regeln, dies sei aber nicht die Position des EU-Parlaments, sondern diese Uneinigkeit werde von „Orban & Co“ provoziert um dann die „Schuld in Brüssel“ zu suchen. Ertug forderte die Schüler auf „nicht alles zu glauben, was man hört“. Es gelte selber zu hinterfragen, sich zu informieren und sich eine eigene Meinung zu bilden. „Die Schule verschafft Ihnen die Qualifikation zur differenzierten Wahrnehmung und zur objektiven Bewertung auch komplizierter Sachlagen“, so Ertug weiter.
Fragen der Schüler zu Uploadfilter, Fridays for Future, TTIP und CETA
Die von den Schülern vorgetragenen Fragen behandelten den Weg zum EU-Parlamentarier, die persönliche Position zu Uploadfilter und Art. 13 im neuen Urheberrecht. Ertug antwortete kurz und stellte seine Position dar: Er werde mit den anderen bayerischen Abgeordneten im EU-Parlament gegen den Kompromiss bei der Urheberrechtsreform stimmen, solange er Uploadfilter nicht ausschließt.
Ein weiterer wichtiger Themenschwerpunkt war der „zivile Ungehorsam“, den die Schüler u.a. bei den Aktionen „Fridays for Future“ zeigten. Ertug unterstützte dies eindeutig, wie auch die Schulleitung. Gerade bei der Umweltpolitik gingen die bisherigen Erfolge von EU aus, so Ertug. Die europäischen Staaten bis zu unseren Bundesländern würden diese Vorgaben mehr oder weniger konsequent umsetzen. Die Frage zu europäischen Freihandelsabkommen beantwortete Ertug mit einem klaren „Ja zum Handel, aber fair“. Es könne nicht sein, dass die Verträge zu Lasten der Schwächeren gehen und dass Großkonzerne den Vorzug von Schiedsgerichten bekämen.
Wenn die Jugend sich nicht einbringt, passieren Dinge wie der Brexit
Ertug rief abschließend die Schüler auf, sich zu engagieren, denn sie könnten nicht erwarten, dass „die Alten“ ihre Interessen vertreten. „60+ Politik wird deshalb gemacht, weil diese Generation die Mehrheit der Wähler stellt“, so Ertug. Wenn die Jugend nicht zur Abstimmung geht, passieren Dinge wie der „Brexit“.