22. April 2025
Region Landshut

Eine Musik, die lacht – gibt es das denn?

(ra) Ich beobachte eine Dame. Unbekannte Klänge zaubern erst ein Lächeln, dann ein Lachen auf ihr Gesicht. Aber sie ist nicht allein. Sie ist umgeben von älteren, jüngeren, größeren und kleineren Damen und Herren, die alle gebannt – und amüsiert dreinblicken. Und sie amüsieren sich nicht, weil ein Notenständer umgefallen ist oder jemand einen blöden Witz gemacht hat;die Musik, die sie eben gehört haben, bringt sie zum Schmunzeln. Diese Musik ist lebenslustig, anmutig, graziös.

2016-07-12_08-400Sie bringt die Damen und Herren dazu, inwendig mitzutanzen, mitzusingen – sich zu amüsieren. Hinter dieser Musik, diesen fünf kleinen Stückchen, verbirgt sich kein übellauniger, zähneknirschender Beethoven, sondern ein kleiner, lebenslustiger Mann, der Jacques Ibert Zeit seines Lebens war – und so klingt auch seine Musik: Diese Musik schwitzt nicht (das hat Debussy über Beethoven gesagt!), sie ist elegant. Sie ist nicht ernst oder tiefsinnig, sie will nicht überreden, sie ist keine Flucht aus der Welt: Sie macht den Menschen heimisch in der Lebenswelt, indem sie ihm ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Diese Musik macht Spaß; nicht nur sie zu hören, sondern – besonders – sie zu spielen. Und das merkt man den drei jungen Damen, Christelle Lecointe (Oboe und Englischhorn), Jinny Lee (Klarinette) und Yoriko Ijiri (Fagott), an. Denn diese Musik will gespielt werden. Und dieses Spiel steckt an: Yoriko Ijiri spielt nicht einfach, wie es das Fagott meistens macht, langweilige Begleitfiguren, über denen sich Oboe und Klarinette wie Primadonnen gebärden; sie rollt einen wunderbaren roten Teppich aus, auf dem Klarinette und Oboe ihren witzig-spielerischen, anmutigen, graziösen Dialog entfalten.

Dass diese Musik so viel Spaß macht, hat einen zweiten Grund: Nicht die Ideenoder der thematische Prozess,wie bei Beethoven, steht im Vordergrund, sondern die Klanglichkeit: Das ist genauso wie mit einem Bild und seinem Rahmen. Entweder der Rahmen (der Klang) ist Mittel zum Zweck und stützt das Bild und seine Idee – oder der Rahmen selbst ist, wie bei Ibert, das Kunstwerk und viel schöner als das Bild. Diese Musik beugt sich also gerade nicht dem germanischen Tiefsinn eines Beethoven, eines Brahms oder eines Wagners, sondern hat eine Kategorie zum Thema, die von eben diesem Tiefsinn völlig verdeckt wird: Der Klang.

 

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Das wird gerade in Schmid‘s Laden, wo der Zuschauer am Künstler näher dran ist als sonstwo, offenbar: Der schöne Ton braucht, als Kontrastfolie, vor der er erst zum schönen Ton wird, das Geräusch, das zum Spielen der Instrumente dazugehört: Das Kratzen der Bogenhaare über die Saiten, die Hämmer,die auf die Saiten des Klaviers fallen – oder eben die vielen kleinen und großen Geräusche, die nötig sind, um die Luft durch das Rohrblatt zu blasen, damit ein Ton entsteht. Musik ist also mehr: Sie kann Spaß machen und ist eine existentielle Erfahrung, der Klang wird körperlich erfahrbar. Und eine Musik, die nicht schwitzt, ist, nicht nur bei den im Moment herrschenden Temperaturen eine Wohltat. Wer nicht schwitzen möchte, sollte also am Freitag, 15. Juli um 20 Uhr oder am Sonntag, 17. Juli um 17 Uhr Schmid’s Laden einen Besuch abstatten.

Christoph Goldstein