Großeltern contra Jugendamt – Eskalation landet vor dem Richtertisch
(jh) Großeltern, die sich um die Gesundheit ihres Enkelkindes Sorgen machten, saßen am Donnerstag auf der Anklagebank des Amtsgerichts Straubing. Sie sollen eine Mitarbeiterin des Jugendamtes am Landratsamt Straubing-Bogen beleidigt und sogar gedroht haben.
Das Ehepaar (66 und 57) war für ihre Enkelin seit ihrer Geburt ein wichtiger Teil der Familie. Das kranke Mädchen hatte wegen ihrer Lungenerkrankung immer wieder Ärzte zu konsultieren. Im Sommer sei ein weiterer Termin in dieser Angelegenheit in Regensburg angestanden, ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt musste aufgesucht werden und die Brille des Kindes war auch schon vor etwa einem halben Jahr fällig, sie sollte erneuert werden.
Nach einem Vorfall im Kindergarten, bei dem an der Hand des Mädchens eine Brandwunde entdeckt worden war, wurde das Jugendamt eingeschaltet. Den Eltern des Kindes wurde zwei Mal die Woche eine Hilfe zur Seite gestellt. Mit der ersten sozialtherapeutischen Kraft sei jedoch kein Konsens gefunden worden. Im März wurde daher eine neue Familienhilfe beauftragt. Während die Großeltern in dem Drei-Generationen-Haus bis dato in das Wohlergehen der Enkelin eingebunden waren, änderte sich dies mit der Familienhilfe, insbesondere mit der jüngsten Sozial-Pädagogin entscheidend. Diese berief sich vollends auf ihre Schweigepflicht. „Wir wollten ja nur mit der Frau darüber reden, dass wichtige Termine für unsere Enkelin anstehen“, wiederholten sie vor Gericht. Doch bei der Mitarbeiterin des Jugendamtes fanden sie kein Gehör. Vielmehr berief sich die 33-jährige Sozial-Pädagogin stets auf ihre Schweigepflicht und wollte damit den gewünschten Gesprächen mit im Hause lebenden Großeltern ausweichen.
Am 6. Juni eskalierte anscheinend die Situation zwischen den Großeltern und der Jugendamts-Mitarbeiterin. Großvater Xaver S. (Name geändert!) suchte an diesem Tag, nachdem die Sozial-Pädagogin die Wohnung seines Sohnes verlassen hatte, erneut ein Gespräch mit ihr. Die 33-Jährige aber verwies wieder einmal auf ihre Schweigepflicht. Die Schwiegertochter von Xaver S. und seiner Frau war nach Aussagen der Mitarbeiterin am Landratsamt jedoch nicht bereit, diese aufzuheben.
Ab diesem Zeitpunkt unterscheiden sich die Angaben über den weiteren Verlauf an diesem Tag: Xaver S. soll die Mitarbeiterin der Familienhilfe nach deren Aussage – und der Anklageschrift – mit „du blöde Sau und du blödes Mistvieh“ bezeichnet haben. Außerdem soll er ihr gedroht haben, „aus dieser Sache kommen Sie lebend nicht heraus“. Dabei soll er seine Hand an seinem Hals hin und her bewegt haben. Auch ein Baseballschläger im Hausflur soll eine Rolle gespielt haben. Die hinzukommende Frau von Xaver S. soll sie mit den selben Worten beleidigt haben.
Ganz anders die Version der Angeklagten: Xaver S. will seiner Aussage zufolge gesagt haben: „Wenn alle so arbeiten, wie Sie, dann braucht man sich nicht zu wundern, wenn einer durchdreht“. Dazu will er mit seiner rechten Hand eine kreisende Bewegung um seine Stirn gemacht haben. „Beleidigende Worte sind nicht gefallen“, beteuerte er vor Gericht. Auch seine Frau widersprach der Anklageschrift. Sie will auch keine entsprechenden Aussagen gehört und gesagt, sowie Gesten ihres Mannes gesehen haben.
Auf Nachfrage der Verteidigung von Xaver S. räumte die angeblich beleidigte Mitarbeiterin des Jugendamtes ein, „eigentlich die Sache auf sich berufen lassen zu wollen“. Wörtlich sagte sie: „Solche Situationen sind wir gewohnt“. Stattdessen sei der Arbeitgeber in der Person von Landrat Josef Laumer aktiv geworden und habe Anzeige erstattet – jedoch erst, nachdem Sohn und Schwiegertochter, samt Enkelkinder, aus dem Haus der Eltern bzw. Großeltern ausgezogen waren. Wörtlich sagte die Sozial-Pädagogin: „Das Verhalten der Großeltern war nicht gerade korrekt gewesen. Wir hatten uns darauf geeinigt, zu warten, bis die jüngere Generation ausgezogen war.“ Wirklich bedroht habe sie sich aber nicht gefühlt.
Es standen also die Aussagen der beiden Beschuldigten und dem Opfer gegenüber. Nach einem Rechtsgespräch zwischen den Verfahrenbeteiligten wurde das Verfahren wegen Geringfügigkeit gegen eine Geldauflage eingestellt: Xaver S. muss jetzt 1000 Euro an eine Einrichtung bezahlen, seine Frau 300 Euro.
Wie im Rahmen des Prozesses bekannt wurde, sind inzwischen Sohn und Schwiegertochter – samt Engelkinder – aus dem Mehrgenerationenhaus von Xaver S. und seiner Frau ausgezogen.