Kinderporno-Prozess: Mädchen war zehn oder zwölf, vielleicht aber auch 14 – Freispruch
(pw) „Des hättst jetzt ned sehen brauchen.“ Mit diesem Kommentar habe sein Bekannter schnell den Laptop zugeklappt, als er dessen Wohnzimmer betreten habe, erzählte Wolfgang S. (Name geändert) am Donnerstag vor dem Schöffengericht am Amtsgericht Straubing. Das Bild auf dem Computer hatte ein nacktes Mädchen gezeigt, etwa zehn oder zwölf Jahre alt. So jedenfalls hatte es der 41-Jährige bei der Polizei erzählt. 2022 hatte er Anzeige erstattet.
Daraufhin wurde im September 2023 die Wohnung des Angeklagten, dem Frührentner Erich L. (Name geändert) durchsucht. Die Beamten fanden auf einem der beiden Laptops tatsächlich 20 Bilder, auf denen nackte Mädchen posierten. Es waren deutlich Kinder zu erkennen. Allerdings befanden sich die Daten in einem sogenannten Cache-Ordner, einem Verzeichnis von bereits gelöschten oder verschobenen Dateien. Somit war für die Ermittler nicht mehr feststellbar gewesen, wann die Originale gespeichert worden sind, berichtete die zuständige Kripo-Beamtin vor Gericht als Zeugin.
Die Aussage von Wolfgang S. für das Gericht schließlich von entscheidender Bedeutung. Deshalb hatte das Verfahren auch bereits einmal ausgesetzt werden müssen, weil der Zeuge wegen Krankheit kurzfristig nicht vor Gericht erscheinen konnte. Am Donnerstag kam er, wenn auch mit Verspätung. Freilich konnte er nicht für die erhoffte Klarheit sorgen, denn seine Gedächtnislücken waren erstaunlich eklatant. Während er bei der Polizei 2022 noch ausgesagt hatte, er habe etwa zwei Jahre vorher seinen Bekannten besucht, konnte er sich diesmal an gar nichts erinnern, auch nicht, wann er bei Erich L. in der Wohnung gewesen sei. Staatsanwalt und Gericht versuchten ihm Brücken zu bauen. „War es für zehn oder vor fünf Jahren?“ fragte der Anklagevertreter, doch der 41-jährige Zeuge konnte sich nur dazu durchringen, dass zehn Jahre wohl zu lange zurückliege. Der Besuch habe stattgefunden, nachdem er seinen Wohnortwechsel von Zwiesel nach Straubing vollzogen habe. Aber in welchem Jahr? „Keine Ahnung.“
Auf diese Weise setzte sich die Vernehmung von Wolfgang S. fort. Das Mädchen auf dem fraglichen Bild sei „hübsch jung“ gewesen, meinte er. Vielleicht sei sie zehn oder zwölf Jahre gewesen, vielleicht auch 13 oder 14. Er wisse nur noch, dass sie vor einer Fototapete gestanden sei. An sonstige Details könne er sich nicht erinnern. Trotzdem hatte es ihn offenbar veranlasst, zwei Jahre nach dem Anblick zur Polizei zu gehen und den Bekannten anzuzeigen. „Das hat mir keine Ruhe gelassen“, bekräftigte er.
Wegen diesen vagen Angaben war letztlich für das Gericht die Aussage von Wolfgang S. nicht brauchbar. Der entscheidende Punkt: Die angeklagte Straftat – der Besitz von kinderpornografischen Dateien – unterliegt der Verjährung nach fünf Jahren. Weil es keinerlei Anhaltspunkte für den Zeitpunkt der Speicherung gab, musste das Schöffengericht nach dem Prinzip „im Zweifel für den Angeklagten“, einen möglichst frühen Zeitpunkt annehmen. „Der Zeuge konnte nichts Belastbares sagen“, begründete der Vorsitzende Richter Achim Kinsky den Freispruch. Für das Gericht sei es ein „ganz eindeutiger Fall“. Man wisse weder, wann der Zeuge Wolfgang S. die Bilder gesehen noch welches Bild er überhaupt gesehen habe.
Im Gegensatz dazu hatte der Staatsanwalt den Vorwurf als erwiesen angesehen. Er hatte deshalb eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, sowie eine Bewährungsauflage von 3000 Euro gefordert. Erich L.s Verteidiger hingegen sah den Sachverhalt genauso wie das Gericht und stellte fest: „Die Anklage fischt im Trüben. Man kann nur Freispruch beantragen.“