Landkreis Straubing-BogenPolizeimeldungen

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen Hühnerbaron Stefan Pohlmann – Update

(jh) Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks hat die Staatsanwaltschaft Regensburg Anklage gegen den Eigentümer und ehemaligen Geschäftsführer der skandalgebeutelten Firma Bayern-Ei (Aiterhofen, Landkreis Straubing-Bogen) erhoben. Dem 45-jährigen Stefan Pohlmann wird demzufolge Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen. Am Dienstag hat die Staatsanwaltschaft weitere Informationen bekanntgegeben (siehe Update!)

Die Liste in der Anklageschrift ist lang: gefährliche Körperverletzung in 186 Fällen, „vorsätzliches Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel“, gewerbsmäßiger Betrug mit einem Schaden von mehr als fünf Millionen Euro sowie „unerlaubtes Betreiben einer Anlage“ und Tierquälerei.

BR und SZ hatten 2015 aufdeckt, dass Pohlmanns Firma – das Unternehmen Bayern-Ei – 2014 offenbar einen länderübergreifenden Salmonellenausbruch mit Hunderten Erkrankten und mindestens einem Toten ausgelöst hatte. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, der ehemalige Geschäftsführer habe bereits seit Dezember 2013 gewusst, dass seine Betriebe an den niederbayerischen Standorten Aiterhofen und Wallersdorf mit Salmonellen kontaminiert waren. Dennoch habe er rund ein Jahr lang weiter Eier ausgeliefert. Eine Warnung der Öffentlichkeit unterblieb.

Wie der Bayerische Rundfunk am Montag weiter berichtet, befindet sich Pohlman auf freiem Fuß. Nach einem monatelangen Verkaufsverbot produziert das Unternehmen sogar wieder Eier.

Hintergrund:

Pohlmann stand Mitte der Neunzigerjahre schon einmal vor Gericht, zusammen mit seinem Vater und Ex-Kompagnon Anton Pohlmann, den Tierschützer den „Tierquäler der Nation“ nennen. Damals wurde den beiden vorgeworfen, sie hätten in einem Hühnerstall Nikotin versprühen lassen und einen Arbeiter damit beinahe getötet. Pohlmann senior wurde zu zwei Jahren Haft auf Bewährung und einer Millionenstrafe verurteilt. Stefan Pohlmann kam mit einer Zahlung von 100.000 Mark davon, nachdem sein Vater alle Schuld auf sich genommen hatte. Diesmal droht Pohlmann junior eine mehrjährige Haftstrafe.

Update, 10. Januar, 9.25 Uhr:

Mit Anklageschrift vom 22. Dezember 2016 legt die Staatsanwaltschaft dem ehemaligen Geschäftsführer der Firma Bayern Ei, Stefan Pohlmann, Körperverletzung mit Todesfolge, gefährliche Körperverletzung, vorsätzliches Inverkehrbringen gesundheitsschädlicher Lebensmittel, gewerbsmäßigen Betrug, unerlaubtes Betreiben einer Anlage und Tierquälerei zur Last.

Wörtlich heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft: „Nach Bekanntwerden eines europaweiten Salmonellenausbruchs im Sommer 2014 führt die Staatsanwaltschaft Regensburg deswegen seit Ende August 2014 von Amts wegen Ermittlungen gegen die Bayern Ei, die sich in erster Linie gegen deren damaligen Geschäftsführer richteten. Im Verlauf dieser umfangreichen und sehr aufwändigen Ermittlungen wurde der beschuldigte Geschäftsführer im August 2015 aufgrund richterlichem Haftbefehls in Untersuchungshaft genommen. Nach zwischenzeitlicher Aufhebung im Beschwerdeverfahren im Mai 2016 wurde die Untersuchungshaft durch das Oberlandesgericht Nürnberg im Juni 2016 wieder angeordnet, deren Vollzug aber zugleich gegen eine hohe Sicherheitsleistung ausgesetzt, so dass sich der Beschuldigte weiterhin auf freiem Fuß befindet.

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Laut Anklage soll der Angeschuldigte im Zeitraum von Januar bis Dezember 2014 kontinuierlich aus zwei niederbayerischen Legehennenbetrieben der Fa. Bayern Ei in Aiterhofen und Wallersdorf Hühnereier, die zum Verzehr für den Endverbraucher bestimmt waren, an Großabnehmer bzw. Zwischenhändler veräußert und ausgeliefert haben, obwohl ihm seit Dezember 2013 bekannt war, dass diese beiden Betriebsstätten mit Salmonellen kontaminiert waren.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft besteht aufgrund der durchgeführten Ermittlungen der dringende Verdacht, dass der Angeschuldigte aufgrund zahlreicher, positiv auf Salmonellen untersuchter amtlicher als auch eigener Proben aus beiden Betriebsstätten bzw. von dort produzierten Eiern wusste, dass dort eine Salmonellenkontamination vorherrschte. Gleichwohl soll er keine ausreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen haben, um eine Gesundheitsgefährdung der Verbraucher zu verhindern. So hätte er etwa einen sofortigen Auslieferungsstopp für die zum Verzehr durch den Endverbraucher bestimmten Eier verfügen oder eine sofortige Ausstallung und Vernichtung der kontaminierten Herden mit anschließender ordnungsgemäßer Desinfektion anordnen können.

Aufgrund der dauerhaft unzureichenden hygienischen Verhältnisse in den beiden niederbayerischen Betriebsstätten konnte der Angeschuldigte als erfahrener Lebensmittelproduzent nach Auffassung der Staatsanwaltschaft – trotz einiger auch negativer Probenergebnisse – nicht darauf vertrauen, dass die im Rahmen der Beprobungen erst einmal festgestellte Salmonellenkontamination ohne notwendige Gegenmaßnahmen kein dauerhaftes Gesundheitsrisiko für den Verbraucher darstellen würde. Den zuständigen Verwaltungsbehörden soll der Angeschuldigte betriebseigene Proben, die positiv auf Salmonellen untersucht worden waren, entgegen einer ihm bekannten Mitteilungspflicht bewusst vorenthalten haben.

Der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung in 186 weitgehend tateinheitlichen Fällen gemäß § 224 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der Körperverletzung mit Todesfolge in einem Fall gemäß § 227 StGB und des vorsätzlichen Inverkehrbringens gesundheitsschädlicher Lebensmittel in 187 weitgehend tateinheitlichen Fällen gemäß § 58 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 5 Nr. 1 bis 3 Lebens- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) beruht auf der ermittlungsgestützten Annahme der Staatsanwaltschaft, dass im Rahmen dieser Auslieferungen aus den beiden kontaminierten Betriebsstätten der Bayern Ei Hühnereier in Verkehr gebracht wurden, die tatsächlich mit Salmonellen befallen waren und durch deren Verzehr in der Folge insgesamt 187 Personen an einer Salmonelleninfektion erkrankten, davon 95 Personen in Österreich, 86 Personen in Deutschland und 6 Personen in Frankreich.

Dabei besteht aufgrund des eingeholten rechtsmedizinischen Gutachtens der Verdacht, dass eine der in Österreich erkrankten Personen an den Folgen der Salmonelleninfektion verstarb. Den Nachweis der Ursächlichkeit der Salmonellenkontamination bei der Bayern Ei für die 187 Erkrankungsfälle sieht die Staatsanwaltschaft als hinreichend belegt an; teilweise aufgrund molekurbiologischem Vergleich der Humanisolate der Patienten mit den bei der Bayern Ei genommenen Proben und teilweise – in mehreren Fällen auch zusätzlich – aufgrund der Lieferwege der Eier, die bis zu den Endverbrauchern nachvollzogen werden konnten.

Soweit der Verdacht bestand, dass noch weitere Personen in Deutschland, Österreich, Frankreich, Luxemburg und Großbritannien infolge des Verzehrs von Eiern, die in den Betriebsstätten der Fa. Bayern Ei produziert worden waren, erkrankt und dabei in drei Fällen auch an den Folgen der Erkrankung verstorben sind, konnte dies trotz intensivster Ermittlungen – auch im Ausland mittels Rechtshilfeersuchen – nicht mit der für eine Anklageerhebung
erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden.

Dem Verdacht des gewerbsmäßigen Betruges in 473 selbständigen Fällen gemäß § 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 3 StGB liegt folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Angeschuldigte soll die jeweiligen Abnehmer der Fa. Bayern Ei durch das bewusste Verschweigen der erkannten Salmonellenkontamination in den beiden Betriebsstätten und durch Übersendung ausschließlich negativer Probenergebnisse gezielt darüber hinweggetäuscht haben, dass die ausgelieferten Eier, die für den Verzehr durch den Endverbraucher bestimmt waren, in einem mit Salmonellen befallenen Legehennenbetrieb produziert worden waren.

 

 

Die jeweiligen Abnehmer nahmen – so der Tatvorwurf – in der Folge im Vertrauen auf die Unbedenklichkeit der Betriebsstätten die Eier ab, bezahlten den Kaufpreis und veräußerten die für den Verzehr durch den Endverbraucher unverkäufliche Ware – zum Teil über weitere Zwischenhändler – gutgläubig an die Endverbraucher. Die Staatsanwaltschaft geht nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen davon aus, dass die jeweiligen Abnehmer – unabhängig davon, ob jedes einzelne ausgelieferte Ei tatsächlich mit Salmonellen kontamiert war oder nicht – die Ware nicht abgenommen und den Kaufpreis nicht bezahlt hätten, wenn sie gewusst hätten, dass die Eier in einem Betrieb produziert worden waren, in dem eine Salmonellenkontamination festgestellt worden war. Auf diese Weise soll der Angeschuldigte durch 473 Auslieferungen an verschiedene Abnehmer einen Erlös in Höhe von insgesamt 5.146.745,73 Euro betrügerisch erzielt haben.

Schließlich wird dem Angeschuldigten unerlaubtes Betreiben einer Anlage gemäß § 327 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB zur Last gelegt. Denn es besteht der Verdacht, dass er in der Betriebsstätte der Fa. Bayern Ei in Wallersdorf den genehmigten Tierbestand im Bestallungszeitraum vom 29.07.2014 bis 03.08.2015 bewusst überschritt, indem er 523.446 statt der genehmigten 487.500 Legehennen einstallen ließ und auf diese Weise den Stall mit Überbesatz und damit ohne Genehmigung betrieb. Durch den Überbesatz sollen den in Käfigen gehaltenen Tieren auch länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt worden sein.

Zudem soll es während dieser Überbelegung zu einem massiven Befall der Legehennen mit der roten Vogelmilbe gekommen sein. Es besteht deswegen auch der Verdacht, dass der Angeschuldigte trotz Kenntnis von diesem Milbenbefall und der Folgen für die betroffenen Tiere keine ausreichenden Gegenmaßnahmen ergriffen und auch auf diese Weise den Tieren länger anhaltende erhebliche Schmerzen und Leiden zugefügt hat. Hierauf gründet sich der Tatvorwurf der Tierquälerei in zwei tateinheitlichen Fällen gemäß § 17 Nr. 2b Tierschutzgesetz.

Nach Erhebung der Anklage prüft nun das Landgericht Regensburg in einem Zwischenverfahren, ob der von der Staatsanwaltschaft angenommene hinreichende Tatverdacht besteht und das Hauptverfahren mit (grundsätzlich) öffentlicher Hauptverhandlung zu eröffnen ist. Die Zuständigkeit des Schwurgerichts ergibt sich aus der Annahme der Staatsanwaltschaft, dass auch ein hinreichender Tatverdacht der Körperverletzung mit Todesfolge besteht. Für dieses Verbrechen droht das Strafgesetzbuch in § 227 Abs. 1 eine Freiheitsstrafe von 3 bis 15 Jahren an, soweit kein minder schwerer Fall angenommen wird.“